Nagelsmanns EM-Weg beginnt in DFB-Gremien

Die erste Etappe auf dem Weg zur Heim-EM dürfte für den designierten Bundestrainer Julian Nagelsmann reine Formsache werden. Dass die Gremien des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) den Deal mit dem 36-Jährigen noch stoppen, ist trotz der dramatisch knappen Finanzen nicht zu erwarten.

Stattdessen stellen sich am Freitag, für den der DFB für 12.00 Uhr in Frankfurt am Main eine Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Gremiensitzungen anberaumt hat, andere Fragen: Wird die Verpflichtung Nagelsmanns ein halbes Jahr nach seinem geräuschvollen Bayern-Aus bereits verkündet? Wie und in welchem Rahmen wird der Hoffnungsträger des am Boden liegenden Nationalteams vorgestellt? Und: Auf welche Spieler setzt Nagelsmann bei seinem Zehn-Monats-Projekt, das im Idealfall am 14. Juli im EM-Finale von Berlin endet?

Nagelsmann soll das EM-Projekt leiten

Viel Zeit hat der Nachfolger von Hansi Flick, mit dem laut «Bild» und «Kicker» bereits eine Einigung über ein Engagement bis zur EM besteht, nicht. Und die Startvoraussetzungen sind alles andere als ideal: Nach verkorkster WM und einem desolaten 1:4 gegen Japan war der 2:1-Erfolg über Vize-Weltmeister Frankreich unter Rudi Völler zuletzt nur ein Mutmacher. Die Realität im Weltfußball sieht ein Dreivierteljahr vor der Heim-EM so aus: drei Turniere in Serie verpatzt und in der Weltrangliste auf Platz 15 – eingerahmt von Marokko, der Schweiz, Kolumbien und Uruguay.

Nagelsmann kam in dieser Woche erstmals persönlich mit Präsident Bernd Neuendorf und Sportdirektor Völler, der die Lösung besonders präferiert, zusammen. Auch Hans-Joachim-Watzke – von DFB über DFL bis BVB überall involviert – soll mit einem EM-Projekt unter dem hochtalentierten Nagelsmann einverstanden sein.

Es käme einer irreparablen Schädigung der Verbandsführung um Neuendorf gleich, wenn der begehrte Wunschkandidat nun doch nicht käme, weil Präsidium, Aufsichtsrat oder Gesellschafterausschuss den Deal nicht absegnen. In den Gremiensitzungen dürfte es ohnehin weniger um Nagelsmanns sportliche Eignung gehen als um die 400 000 Euro, die er pro Monat beim DFB verdienen soll.

Hitzfeld: «Nagelsmann ein herausragender Spitzentrainer»

Stimmen, wonach sich ein Trainer mit mehr Erfahrung besser als Nagelsmann für den Posten eignen würde, sind nach der am Dienstag durchgesickerten Einigung relativ schnell verhallt. Der frühere Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld hält ihn für «die beste Wahl der verfügbaren Trainer auf dem Markt». Der im oberbayerischen Landsberg geborene Nagelsmann sei «ein herausragender Spitzentrainer», sagte Hitzfeld dem Portal «skysport.de». «Fachlich äußerst kompetent mit viel Durchsetzungsvermögen.»

Das alles wird er zügig unter Beweis stellen müssen. Am 14. Oktober (21.00 Uhr) spielt das Nationalteam bei seiner Reise zu den WM-Gastgebern 2026 in East Hartford gegen die USA, drei Tage später steht in Philadelphia Mexiko als weiterer sportlicher Gradmesser an. Bis dahin dürften sie Nagelsmann als neues Gesicht des EM-Projekts in der Frankfurter Verbandszentrale noch vorstellen wollen, womöglich schon in der nächsten Woche. Denn danach wird sich der Trainer schon bald für sein erstes Aufgebot entscheiden – und dabei viele offene Fragen beantworten müssen.

Triple-Sieger Ilkay Gündogan wurde von Flick zuletzt zum DFB-Kapitän benannt. Bleibt es dabei oder macht Nagelsmann die Entscheidung direkt rückgängig, um seinen Bayern-Vertrauten Joshua Kimmich in das bedeutende Amt zu hieven?

Torwartfrage in der Nationalmannschaft

Die Bayern-Fraktion um Kimmich, Leon Goretzka und Jamal Musiala dürfte mit Freude auf den Trainerwechsel reagieren – sie alle spielten unter Nagelsmann in München zentrale Rollen. Supertalent Musiala sagte bereits, es werde «cool sein», den 36-Jährigen beim DFB zu haben. Thomas Müller wollte sich vor einer offiziellen Verkündung nicht inhaltlich dazu äußern.

Um eine klare Beantwortung der Torwartfrage dürfte Nagelsmann vor seinen ersten Länderspielen zunächst herumkommen. Der langjährige Stellvertreter Marc-André ter Stegen hatte zuletzt in ungewohnter Deutlichkeit betont, dass er sich im Moment als die Nummer eins sehe. Da ein Comeback des seit Dezember verletzten Langzeitkapitäns Manuel Neuer nicht bevorsteht, dürfte ter Stegen seinen Nummer-eins-Status bei den Amerika-Spielen zunächst wahren. Die Bayern und Nagelsmann hatten sich Anfang des Jahres zur großen Enttäuschung Neuers von dessen Torwarttrainer Toni Tapalovic getrennt, was der Nagelsmann-Verpflichtung zusätzliche Brisanz verleiht.

Patrick Reichardt, Arne Richter und Christian Kunz, dpa