Schalke im Krisenmodus: Spieler-Kritik an Trainer Reis

Thomas Reis gab sich Mühe, nicht genervt zu wirken. Schon das 1:3 beim FC St. Pauli hatte dem Trainer des FC Schalke 04 zugesetzt.

Nun musste sich der 49-Jährige in der Pressekonferenz nach dem Zweitliga-Spiel in Hamburg Fragen zur mehr oder weniger offenen Kritik seines Abwehrchefs Timo Baumgartl stellen. Der 27-Jährige hatte nur Minuten zuvor im Interview mit dem Pay-TV-Sender Sky Zweifel an der Reis-Taktik geäußert.

Er habe zum einen das Interview nicht gesehen, entgegnete der Trainer. «Zum anderen bin ich der Erste, der sich an die eigene Nase fasst. Und das erwarte ich auch von meinen Spielern», fügte er mittelschwer gereizt hinzu. 

«Riskante Spielweise» als Hauptproblem

Baumgartl hatte die von seinem Trainer vorgegebene Taktik mit dem mannorientierten Spiel angezweifelt. «Teilweise laufen wir Männern hinterher, dann sind Positionen übereinander – da ist keine Kompaktheit da. Das ist unser großes Problem», kritisierte der frühere Bundesligaprofi des VfB Stuttgart und 1. FC Union Berlin. «Wir sind immer einen Schritt zu spät.» Die riskante Spielweise sei «die Philosophie vom Trainer, er gibt uns das vor und deswegen machen wir das auch als Mannschaft», ergänzte Baumgartl. 

In der zweiten Halbzeit gegen den FC St. Pauli sei es ein Stück besser gewesen, «aber wir spielen natürlich auch mit dem Feuer. Wenn man einen Schritt zu spät kommt, ist es brutal zu verteidigen», sagte der Innenverteidiger und sprach von einer «risikohaften Sache». «Und dann ist es nun mal so, dass man immer wieder Gegentore kassiert. Das ist einfach Fakt, weil man da nicht alles verteidigen kann.»

Reis gebe ihnen einen Plan mit, «aber es ist ein Stück weit auch schwer für uns, das so zu sehen, das so zu machen. Weil wir natürlich immer wieder in diese Situationen reinlaufen», sagte Baumgartl. Im Training arbeite man mit dem Coach an diesen Sachen «akribisch», aber 15 Gegentore nach sieben Spielen seien «Wahnsinn».

Königsblauer Zusammenhalt fehlt

Reis kann die Kritik nicht nachvollziehen, dass er zu mannorientiert spiele. Als Beleg sah er das Duell in Hamburg. «Sobald wir aktiv waren, sobald wir mehr mannorientiert gespielt haben, haben wir die Zweikämpfe gewonnen und Pauli am guten Spielaufbau gehindert», betonte er. Sobald die Spieler in Passivität gefallen seien, seien sie den Gegnern hinterhergelaufen. 

Der Disput zwischen Trainer und Abwehrorganisator passt in das Gesamtbild von Königsblau und zeugt von einem schwierigen Verhältnis zwischen Reis und Mannschaft. Nach dem Bundesliga-Abstieg war der personelle Umbruch enorm. Von einer Einheit sind die Gelsenkirchener weit entfernt. Die Unruhe wächst. 

Dabei wähnten sich die Schalker nach einem Remis (1:1 in Wiesbaden) und einem Sieg (4:3 gegen Magdeburg) auf dem richtigen Weg. Nach dem siebten Spieltag stehen sie nun wieder sechs Punkte hinter dem Aufstiegsrelegationsplatz und im Tabellenkeller.

Reis muss noch nicht bangen

Nur der Letzte VfL Osnabrück (18 Gegentore) hatte vor den Sonntag-Spielen mehr Treffer kassiert als der Traditionsclub. In ihrer letzten Zweitliga-Saison vor zwei Jahren standen die Schalker nach sieben Spieltagen auf dem elften Tabellenrang und hatten drei Zähler Abstand zum dritten Platz. Am Ende der Saison stand der Aufstieg. 

Noch gibt Sportdirektor André Hechelmann seinem Trainer öffentlich Rückendeckung. Sicher ist: die Spiele am Freitag (18.30 Uhr/Sky) beim SC Paderborn und am 8. Oktober (13.30 Uhr/Sky) gegen Mitabsteiger Hertha BSC werden für den Verein und Reis richtungsweisend sein. «Nach oben brauchen wir nicht zu schauen. Wir haben sieben Punkte», weiß der Trainer. «Wir müssen kleinere Brötchen backen.» 

Claas Hennig und Jörg Soldwisch, dpa