DFB-Frauen für Interimscoach Hrubesch «Herzensangelegenheit»

Mit einem Revival von Horst Hrubesch hat sich der DFB in der Trainer-Problematik seines kriselnden Frauen-Fußballnationalteams etwas Zeit verschafft.

Das 72 Jahre alte Hamburger Stürmer-Idol übernimmt zum zweiten Mal nach 2018 interimsmäßig den Posten. Die große Frage, was mit der erkrankten Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg passiert, bleibt inmitten der Olympia-Qualifikation ungeklärt. Und auch die Sport-Direktorenstelle für die DFB-Frauen ist weiter unbesetzt. 

Neuer Schwung erhofft

Sympathieträger Hrubesch soll neuen Schwung und vor allem bessere Stimmung in die Auswahl um Kapitänin Alexandra Popp bringen, die bei der WM in Australien so kläglich in der Vorrunde gescheitert war. «Für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Ich musste bei der Anfrage nicht lange überlegen», sagte Hrubesch in der HSV-Mitteilung. Das einstige Kopfball-Ungeheuer wird außerhalb der DFB-Lehrgänge und -Länderspiele sein Amt als Direktor des HSV-Nachwuchsleistungszentrums weiter ausüben.   

Hrubesch hatte schon die acht Monate zwischen der Amtszeit der glücklosen Steffi Jones und ihrer Nachfolgerin Voss-Tecklenburg übernommen. Er gewann dabei sieben von acht Spielen und sicherte den DFB-Frauen die WM-Teilnahme 2019. Danach sprachen Nationalspielerinnen immer wieder sehr positiv über ihn. Bei Hrubesch lerne man «für sein Spiel, aber auch fürs Leben. Wir schätzen ihn alle sehr», sagte Lina Magull vom FC Bayern.   

«Sehr verbunden mit den Mädels»

Hrubesch selbst erklärte noch vor der diesjährigen WM der Deutschen Presse-Agentur: «Ich fühle mich sehr verbunden mit den Mädels. Bis auf zu den ganz jungen Spielerinnen habe ich eigentlich noch zu allen Kontakt, der ist nie abgerissen und bleibt für immer.» Es sei darum gegangen, «eine Lösung für die aktuelle Situation zu finden», sagte er nun der «Bild am Sonntag». Durch den guten Draht zu den Spielerinnen «wissen wir jetzt alle, wie wir es anpacken müssen».  

Hrubesch wird am 27. Oktober in Sinsheim gegen Wales und am 31. Oktober in Island erstmals wieder auf der Bank der Vize-Europameisterinnen sitzen. Dabei steht das DFB-Team nach der Auftaktniederlage in der Nations League in Dänemark trotz des 4:0-Sieges kürzlich gegen Island unter Druck. «Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit mit dem Team. Wir werden zusammen versuchen, uns in den verbliebenen Spielen der Nations League eine gute Ausgangsposition für die Olympia-Qualifikation zu erarbeiten», sagte Hrubesch. Er war 2009 mit den U21-Männern Europameister und holte mit ihnen 2016 Olympia-Silber. 

Mit Hrubesch zu Olympia 2024?

Hrubesch übernimmt den Posten «mit Blick auf die hoffentlich weiter voranschreitende Genesung von Martina Voss-Tecklenburg sowie unter Berücksichtigung der sportlichen Entwicklung» bis auf Weiteres. So hatte es der Deutsche Fußball-Bund am Samstag überraschend mitgeteilt. Ein Zeitraum seines Engagements wurde nicht benannt. Nach dpa-Information könnte Hrubesch die deutschen Frauen sogar noch bei den Sommerspielen 2024 in Paris betreuen – falls er mit ihnen die hohe Hürde Olympia-Qualifikation überspringt.       

Die zuletzt für die Frauen-Auswahl verantwortliche Britta Carlson wird neben Hrubeschs Co-Trainer Thomas Nörenberg als Assistentin weiterarbeiten. Unbeantwortet bleibt beim Verband und bei Voss-Tecklenburg die Frage nach ihrem derzeitigen Gesundheitszustand. Eine Rückkehr der Bundestrainerin gilt unabhängig davon als unwahrscheinlich. Durch ihre am 8. September bekannt gegeben Erkrankung ist die Situation für den DFB arbeitsrechtlich sehr schwierig. Dabei hatte die 55-Jährige erst im April ihren Vertrag bis 2025 verlängert. 

Schweigen zu Voss-Tecklenburg

Auch zur bisher nicht beendeten WM-Analyse, wo es interne Kritik an Voss-Tecklenburg gegeben haben soll, und zur immer noch vakanten Stelle eines neuen Sportdirektors äußerte sich der Verband nicht. Zuletzt hatten Nationalspielerinnen wie Popp, Lena Lattwein und Merle Frohms (alle VfL Wolfsburg) auf eine Lösung in der Trainerfrage gedrängt. Der Schwebezustand machte der Auswahl sichtlich zu schaffen.   

Rio-Olympiasiegerin Tabea Kemme hält Hrubesch für eine gute Wahl. «Mit seiner ruhigen und emphatischen Art ist er ein vertrauensvoller und kommunikativer Coach. Genau das, was die Spielerinnen nach der zerfahrenen Zeit zuletzt brauchen», sagte sie t-online.de.

Von Ulrike John und Jens Marx, dpa