Ski-Dominatorin Shiffrin: Jagd auf neue magische Marken

Mikaela Shiffrin ist der Superstar der Ski-Szene. Und noch lange nicht fertig. Sie strahlt, als sie von ihren Erlebnissen im zurückliegenden Sommer berichtet.

Sie sei unter anderem ein paar Wochen bei ihrem Lebensgefährten, dem Ski-Star Aleksander Aamodt Kilde, und dessen Familie in Norwegen gewesen. Und bei einer Show von Sängerin Taylor Swift. Dreieinhalb Stunden sei sie da mit ihren Teamkolleginnen auf- und abgehüpft, erzählt Shiffrin lachend. Die 28-Jährige wirkt voller Energie vor dem Auftakt des alpinen Weltcup-Winters an diesem Wochenende in Sölden.

Sechste große Kristallkugel als Ziel

Nachdem sie dem Schweden Ingemar Stenmark in der vergangenen Saison den Uralt-Rekord für die meisten Weltcup-Siege abgejagt hat, nimmt die US-Amerikanerin nun die nächste Bestmarke ins Visier. Mit der Österreicherin Annemarie Moser-Pröll gleichzuziehen und zum sechsten Mal den Gesamtweltcup zu gewinnen, wäre «wahrscheinlich der größte Erfolg» ihrer Karriere, sagt Shiffrin vor dem ersten Riesenslalom des Winters am Samstag (10.00 und 13.00 Uhr/ZDF und Eurosport) auf dem Rettenbachferner.

Moser-Pröll, die ihren Rekord bei den Damen in den 1970er-Jahren aufgestellt hat, sei eine «Vorreiterin des Skisports», sagt Shiffrin. Für sie selbst gilt das seit Jahren auch. 88 Weltcup-Erfolge, fünf Gesamtsiege, sieben Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und zwei bei Olympischen Spielen – die Ausnahmeathletin hat längst alles erreicht, was sie wollte. Und sich auch über ihren Sport hinaus einen Namen gemacht. Das US-Magazin «Time» listete sie unter den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten 2023 auf.

Shiffrin ist nicht nur eine begnadete Skifahrerin. Auch die großen Themen dieser Zeit, den Klimawandel oder mentale Gesundheit im Leistungssport etwa, behält sie im Blick. Den frühen Saisonstart der Alpinen und deren Rennkalender generell sieht sie durchaus mit Skepsis. «Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?», fragte sie unlängst.

Die sportlichen Schlagzeilen wird sie diese Saison ohnehin wieder bestimmen. Daran hat keiner der Experten einen Zweifel. Der frühere amerikanische Top-Fahrer Bode Miller traut Shiffrin zu, schon diesen Winter die Marke von 100 Weltcup-Siegen zu knacken. «Sie ist sehr fit, fährt sehr schnell und sehr dynamisch», sagt ihre Teamkollegin Paula Moltzan. «Sie ist nicht unschlagbar, aber schon verflixt gut.»

Dominiert Shiffrin in diesem Winter erneut?

Mehr als 1000 Punkte Vorsprung hatte Shiffrin vergangene Saison auf die im Gesamtweltcup zweitplatzierte Schweizerin Lara Gut-Behrami. Angesichts ihrer Vielseitigkeit fragt sich, wer der Amerikanerin überhaupt gefährlich werden könnte. Im Slalom, ihrer Paradedisziplin, hat sie schon 53 Weltcup-Siege eingefahren, im Riesenslalom 21. Auch in der Abfahrt verbesserte sie sich zuletzt. Womöglich steigert sie ihr Pensum im Speed-Bereich nun noch mal.

Ihr Betreuer-Team ergänzte Shiffrin durch die Norwegerin Karin Harjo, mit der sie früher schon einige Jahre zusammengearbeitet hat und die zuletzt Cheftrainerin der Kanadierinnen war. Sie schätze unter anderem Harjos «unglaubliches Wissen im Bereich Analyse und Daten-Aufarbeitung», sagt die Spitzensportlerin aus Colorado – ohne zu vergessen, ihrem Ex-Trainer Mike Day zu danken.

Auch der ist Teil ihrer Erfolgsstory. Genau wie die Rückschläge, die Shiffrin in den vergangenen Jahren wegstecken musste – ob persönlicher oder sportlicher Natur. Der Unfalltod ihres Vaters Jeff 2020 traf sie schwer. Auch das Olympia-Drama 2022, bei dem sie in China als große Favoritin ohne Medaille blieb, setzte Shiffrin zu. Doch sie kam immer wieder zurück. Und wie. Sie muss nichts mehr beweisen. Dennoch wolle sie «sehen, wie weit ich in diesem Sport gehen kann», sagt Shiffrin. Ein Limit scheint da nicht in Sicht.

Von Christoph Lother und Manuel Schwarz, dpa