Mit einem breitkrempigen Sombrero auf dem Kopf feierte Laura Siegemund ihren historischen Tennis-Erfolg. Ihr Triumph als erste deutsche Siegerin im Doppel-Wettbewerb der WTA Finals kann der deutschen Damen-Auswahl Schwung verleihen, für die Endrunde des Billie-Jean-King-Cups aber auch Nachteile haben.
Nur wenige Stunden nach dem Endspiel-Coup stieg Siegemund im mexikanischen Cancún in den Flieger in Richtung Sevilla. In Andalusien soll Siegemund eine mitentscheidende Rolle auf dem erhofften Weg zum Gruppensieg und Halbfinaleinzug der deutschen Tennis-Equipe einnehmen. Schon am Donnerstag (10.00 Uhr/Tennis Channel) steht die erste Herausforderung gegen Italien an.
«Das wird mit Sicherheit nicht einfach», sagte Teamkapitän Rainer Schüttler der Deutschen Presse-Agentur. «Man muss sehen, wie sie ankommt, wie sie alles verkraftet», sagte der Ex-Profi, war aber hoffnungsvoll: «Sie ist routiniert und wird das sicherlich gut wegstecken.»
Barbara Rittner: «Das ist absolute Weltklasse»
Siegemund wird sicherlich eine gehörige Portion Selbstbewusstsein mit zur Finalrunde des prestigeträchtigen Nationen-Wettbewerbs bringen. Was sie bei den WTA Finals leistete, war noch keiner Deutschen gelungen. Am Ende eines Turniers mit schwierigen Bedingungen und nach dem 6:4, 6:4 gegen Nicole Melichar-Martinez aus den USA sowie Ellen Perez aus Australien genoss sie mit ihrer russischen Doppelpartnerin Vera Swonarewa die Emotionen. «Ich habe nie gedacht, dass wir mit der Trophäe nach Hause kommen», sagte Siegemund.
Wegen der chaotischen Wetterverhältnisse in Cancún hatte das Endspiel einen Tag später als geplant ausgetragen werden müssen. Siegemunds Weiterreise nach Sevilla verspätete sich. In kurzer Zeit muss die Schwäbin nun die Zeitverschiebung von sechs Stunden und den Wechsel von Tennis unter freiem Himmel zur Halle wegstecken. «Im Prinzip kann sie sich Weltmeisterin nennen», würdigte Barbara Rittner als Damen-Chefin im Deutschen Tennis Bund (DTB) den Erfolg von Siegemund, die erste deutsche Finalistin des Wettbewerbs seit 36 Jahren war. «Das ist absolute Weltklasse. Das wird uns auch im Team helfen.»
Tatjana Maria (36 Jahre/Weltranglisten-57. im Einzel), Siegemund (35/86.), Anna-Lena Friedsam (29/115.), Eva Lys (21/130.) und Jule Niemeier (24/162.) treten als Außenseiterinnen an. Eine herausragende Einzelspielerin fehlt. Das Doppel gewinnt bei zwei Einzeln und einem Doppel pro Duell an Bedeutung. Nach dem Auftakt gegen Italien ist in der Vorrunde am Freitag Frankreich der nächste Gegner. Nur die Ersten kommen ins Halbfinale und haben die Chance, am Sonntag den Titel des Wettbewerbs zu holen, der bis 2020 noch Fed Cup hieß.
Keine Deutsche in Top 50 der Welt
«Wir sind nicht die Favoriten, haben aber in der Vergangenheit immer gezeigt, dass wir für eine Überraschung gut sind», sagte Schüttler: «Die Gruppe zu überstehen, ist ganz klar das Ziel.» Im April in Stuttgart hatten sich die Tennis-Damen gegen Brasilien für die Finalrunde der besten 12 Nationen qualifiziert. Anders als die Davis-Cup-Herren in dieser Saison, die im September in Bosnien-Herzegowina den Abstieg vermeiden mussten. Dass das Team ausgeglichen und gut befreundet sei, sei eine große Stärke, sagte Schüttler.
Dass Siegemund im Doppel nun die Nummer fünf der Welt ist, kann aber nicht verdecken, dass im Einzel die Perspektive für außergewöhnliche Erfolge fehlt. Dass Maria 2023 erneut einen WTA-Titel holte, Noma Noha Akugue (19) im Finale von Hamburg stand oder Tamara Korpatsch erstmals ein Turnier gewann, ist beachtlich. Wer allerdings auf die Rangliste blickt, wird ernüchtert. Keine Deutsche ist unter den besten 50 der Welt. Schüttler mahnt, den Talenten Zeit zu geben: «Ich bin mir sicher, dass es die eine oder andere schaffen wird.»
Im kommenden Jahr werden die deutschen Tennis-Damen wahrscheinlich auch im Billie-Jean-King-Cup wieder auf die dreimalige Grand-Slam-Siegerin Angelique Kerber bauen können, die im Januar nach ihrer Babypause ihr Comeback geben möchte. «Ich drücke ihnen die Daumen, wünsche ihnen alles Gute und eine Sensation», sagte sie nun.