Deutschlands Handballer Justus Fischer war noch nicht auf der Welt, als Frankreichs Superstar Nikola Karabatic am 2. November 2002 in der Nationalmannschaft debütierte. Über zwei Jahrzehnte nach seiner Premiere für die Équipe Tricolore spielt der 39 Jahre alte Handball-Oldie immer noch.
Fischer, DHB-Torhüter David Späth oder auch U21-Weltmeister Nils Lichtlein könnten Karabatics Kinder sein – an diesem Dienstag (20.30 Uhr/ARD und Dyn) sind sie im letzten EM-Vorrundenspiel seine Gegner.
Wo Karabatic spielt, ist der Erfolg. Drei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen, viermal Weltmeister und dreimal der Titel bei den Kontinentalwettbewerben: Karabatic hat im Handball alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Die Sommerspiele in Paris sollen der krönende Abschluss einer beeindruckenden Karriere werden. «Es ist eine Befreiung, wenn man weiß, dass danach Schluss ist. Denn als Profisportler denkt man immer an das nächste Spiel, den nächsten Wettbewerb, man setzt sich selbst unter Druck», sagte Karabatic nach dem 26:26 am Sonntag gegen die Schweiz.
Karabatic opfert Herz und Seele
Als Jugendlicher hatte sich der 1,96-Meter-Hüne das Ziel gesetzt, einer der besten Spieler der Welt zu werden. Er hielt sein Wort. «In all diesen Jahren habe ich mein Herz und meine Seele diesem Sport geopfert. Ich habe meinen Geist und meinen Körper für diesen physisch und mental so fordernden Sport eingesetzt», hatte Karabatic in einem offenen Brief geschrieben.
Sein unbändiger Wille und seine Professionalität zeichnen den Profi von Paris Saint-Germain aus. Nach seinem Kreuzbandriss 2020 kämpfte sich der wurfgewaltige Rückraumspieler monatelang zurück, um mit der Nationalmannschaft die erfolgreiche Gold-Mission bei den Olympischen Spielen in Tokio anzugehen. Bei fast jedem Großturnier der letzten 20 Jahre konnte sich Frankreich auf seinen Handball-Helden verlassen.
Der Körper als Riesenmotor
Mittlerweile sind Karabatics glanzvolle Zeiten längst vorbei. Im mit Superstars gespickten Team der Franzosen gehört der dreimalige Welthandballer nur noch zur zweiten Garde. Die Kurzauftritte bei der EM gegen Nordmazedonien und die Schweiz waren blass. Doch der Name allein ist groß genug, um sich Respekt beim Gegner zu verschaffen. «Ich darf das erste Mal gegen Nikola Karabatic spielen. Die Freude ist riesengroß», schwärmte DHB-Keeper Späth.
Deutschlands Ex-Weltmeister Dominik Klein spielte von 2006 bis 2009 mit Karabatic beim THW Kiel. Gemeinsam feierten sie Erfolge in der Champions League, der Liga und dem Pokal. «Er ist einer der größten Handballer, den unser Sport je gesehen hat», sagte Klein der Deutschen Presse-Agentur und lobte die Dynamik und Power des Franzosen. «Sein Körper ist ein Riesenmotor, der immer einen zweiten Abwehrspieler bindet. Nikola Karabatic hat eine enorme Präsenz auf dem Feld und du kannst ihn nicht allein verteidigen.»
Wettskandal und Schurken-Image
Geliebt wurde Karabatic nicht immer. Manchmal duldeten ihn die Fans und seine Mitspieler auch nur. Als ein Gericht den Handballer und seinen Bruder 2017 nach einem jahrelangen Verfahren wegen eines Wettskandals zu jeweils zwei Monaten Haft auf Bewährung und 10 000 Euro Geldstrafe verurteilte, bröckelte das Bild des Superstars. Die Vorwürfe hatten die Brüder stets zurückgewiesen, ihr Schurken-Image haftet bis heute an ihnen.
In diesen EM-Festwochen soll Karabatic wieder zu Frankreichs Held werden. Der Mitfavorit strauchelte gegen die Schweiz, kann mit einem Sieg gegen Deutschland den Einzug in die Hauptrunde aber perfekt machen. «Es ist immer geil, gegen die Heimmannschaft zu spielen. Wir müssen alles verbessern und ich hoffe nicht, dass wir in zwei Tagen nach Hause fahren», sagte Karabatic.