Zwischenzeitlich sah sich Alexander Zverev schon auf dem Weg in die Heimat. «Ich habe gedacht: Da ist ein Qantas-Flug um elf Uhr nach Dubai und dann weiter nach Hause», berichtete der Tennis-Olympiasieger von seinen Gedanken während des Zweitrunden-Krimis bei den Australian Open gegen den slowakischen Qualifikanten Lukas Klein.
Lange sah es in Melbourne danach aus, als würde Zverev nach einem schwachen Auftritt wieder einmal frühzeitig beim Grand-Slam-Auftakt scheitern. «Ich kannte ihn überhaupt nicht. Wenn ich in einem Raum mit ihm gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, wer er ist», gab Zverev große Wissenslücken über seinen Gegner zu. «Aber er hat extrem gut gespielt und ich war die meiste Zeit nur Zuschauer auf dem Platz.»
Im letzten Moment verließ Zverev dort dann aber doch noch seine unerklärlich passive Rolle und schaffte nach 4:30 Stunden mit 7:5, 3:6, 4:6, 7:6 (7:5), 7:6 (10:7) den Sprung in die dritte Runde.
Aus für Struff und Maria
Dort ist er der letzte verbliebene deutsche Tennisprofi. Jan-Lennard Struff scheiterte in der zweiten Runde trotz einer kämpferisch starken Leistung und zwei Matchbällen mit 4:6, 6:1, 6:7 (5:7), 6:1, 6:7 (9:11) am Serben Miomir Kecmanovic und wartet damit weiter auf seinen ersten Drittrunden-Einzug Down Under. Tatjana Maria verlor gegen die an Nummer 26 gesetzte Italienerin Jasmine Paolini klar mit 2:6, 3:6 und schied als letzte deutsche Spielerin aus.
Zverev fand dagegen irgendwie einen Weg, ein peinliches Aus gegen die Nummer 163 der Welt noch zu vermeiden. «Ich hätte lieber in eineinhalb Stunden gewonnen, aber er hat unglaublich gut gespielt. Ich wusste lange nicht, was ich machen sollte», sagte Zverev nach dem Marathon-Match. «Er hätte es heute mehr verdient gehabt, zu gewinnen. Aber so ist es manchmal im Tennis.»
Zverev wirkte bei seinem zweiten Auftritt im Melbourne Park in diesem Jahr lange Zeit unkonzentriert und schläfrig. Der 26-Jährige ist bekannt dafür, dass er frühe Ansetzungen bei Turnieren nicht besonders gerne mag. Auch gegen Klein agierte Zverev lange energie- und emotionslos. Immer wieder kontrollierte der unter Diabetes leidende Zverev während der Seitenwechsel seinen Blutzuckerwert. Wirklich auf der Höhe wirkte Zverev nicht.
Zverev stand kurz vor dem Aus
Dennoch geriet er zunächst nicht ernsthaft in Gefahr. Nach 50 Minuten holte sich Zverev den ersten Satz, ohne gutes Tennis zu spielen. Das änderte sich auch in der Folgezeit nicht. Klein erkannte das und wurde mit zunehmender Spieldauer immer mutiger. Sehr oft düpierte er den unerklärlich weit hinter der Grundlinie stehenden Zverev mit Stopps.
Zum 4:2 nahm er Zverev den Aufschlag ab. Wegen eines kurzen Schauers wurde wenig später das Dach über der John Cain Arena geschlossen. Doch auch die kurze Unterbrechung sorgte nicht dafür, dass Zverev wacher und konzentrierter auf den Platz zurückkehrte. Klein schaffte den Satzausgleich und nahm Zverev gleich zu Beginn des dritten Durchgangs erneut das Service ab. Die deutsche Nummer eins nahm all das merkwürdig emotionslos hin. Klein spielte nun immer besser und ging mit 2:1-Sätzen in Führung.
Schon im vierten Satz stand Zverev dann kurz vor dem Aus. Beim Stand von 4:4 musste er einen Breakball abwehren und rettete sich in den Tiebreak. Auch dort behielt er die Nerven und schaffte den Satzausgleich. Der gebürtige Hamburger brüllte seine Freude laut heraus. Als Zverev dann zu Beginn des fünften Durchgangs dem Slowaken den Aufschlag abnahm, schien er die Partie im Griff zu haben.
Nun gegen den US-Amerikaner Michelsen
Doch selbst in dieser Situation schaffte es Zverev nicht, die Initiative zu übernehmen. Zum 3:3 gab er sein Service ab, Klein hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst in einen kleinen Rausch gespielt und wurde von den Zuschauern immer wieder angetrieben. Die Entscheidung musste im Tiebreak fallen, wo Klein am Ende die Nerven verließen.
Zverev trifft nun auf den Amerikaner Alex Michelsen. Die Nummer 91 dürfte eigentlich auch kein wirklicher Prüfstein werden – wenn Zverev ihn ernst nimmt und sich steigert. «Ich hoffe, er kann sich schnell erholen», sagte Tennis-Legende Boris Becker als TV-Experte bei Eurosport.