Zverev nach nächstem Kraftakt im Viertelfinale

Nach dem nächsten Kraftakt bei den Australian Open riss Alexander Zverev erleichtert die Arme in die Höhe, wenig später stimmte er mit dem Publikum ein Geburtstagsständchen für seinen Vater Alexander Senior an. Der Tennis-Olympiasieger gewann in Melbourne gegen den Briten Cameron Norrie mit 7:5, 3:6, 6:3, 4:6, 7:6 (10:3) und erreichte damit zum dritten Mal in seiner Karriere am Yarra River das Viertelfinale.

Zverev verwandelte nach 4:05 Stunden seinen ersten Matchball. Im Kampf um den Halbfinaleinzug bekommt es Zverev nun am Mittwoch mit Wimbledon-Champion Carlos Alcaraz. Der Spanier besiegte den Serben Miomir Kecmanovic klar mit 6:4, 6:4, 6:0 und konnte damit anders als Zverev Kraft sparen. «Wenn ich so spiele wie heute, werde ich meine Chancen bekommen. Ich freue mich auf das Match», sagte Alcaraz zum Duell mit Zverev.

«Am Ende ist es ein Grand Slam, wo alle ihr bestes Tennis spielen. Und Cameron hat heute unglaublich gut gespielt», sagte Zverev nach der nächsten Zitterpartie. Schon in der zweiten Runde hatte er gegen den slowakischen Qualifikanten Lukas Klein erst im Tiebreak des fünften Satzes gewonnen. «Ich bin einfach nur glücklich, dass ich weiter bin.» Auch Tennis-Legende Boris Becker war erleichtert. «Marathon-Mann Sascha Zverev würde ich sagen. Irgendwas passiert bei ihm im fünften Satz, die Mentalität stimmt», sagte Becker als TV-Experte bei Eurosport.

Ein Zuschauerprotest sorgt für eine Unterbrechung

Gegen Norrie ließ sich Zverev auch von einem Zuschauerprotest Mitte des dritten Satzes nicht aus der Ruhe bringen. Eine Frau hatte von der Tribüne hinter Zverev Flugblätter auf den Platz geworfen. Die Frau wollte mit ihrer Aktion offenbar auf den Nahost-Konflikt hinweisen, auf den Zetteln stand «Free Palestine».

Zwei andere Zuschauer zerrten die Person aus der Arena, da keine Ordner eingriffen. Die Partie konnte nach wenigen Minuten fortgesetzt werden. Bei der Rückkehr ins Stadion bekamen die beiden Zuschauer von den übrigen Besuchern lauten Applaus. Zverev hatte sich kurz in die Mitte des Platzes begeben und beobachtete das Geschehen von dort aus. Vom Veranstalter gab es zunächst keinen Kommentar zu der Aktion.

4:0-Siege, 8:0-Sätze – Zverevs Bilanz gegen Norrie vor dem Duell in der Margaret Court Arena war makellos. Dennoch war die deutsche Nummer eins gewarnt. «Klar ist es schön, mit so einer Bilanz ins Spiel zu gehen. Aber trotzdem muss ich das natürlich total ernst nehmen», hatte Zverev vor der Partie gesagt.

Und in der Tat ging Zverev die Begegnung sehr konzentriert an. Der Weltranglisten-Sechste schlug gut auf und leistete sich anfangs wenige Fehler. Zum 6:5 nahm er Norrie den Aufschlag ab, nach 47 Minuten holte sich Zverev mit dem zweiten Satzball den ersten Durchgang.

Auch im zweiten Satz kontrollierte Zverev weiter das Geschehen. Zum 3:2 gelang ihm erneut ein Break – Zverev hatte alles im Griff und schien auf einen weitgehend ungefährdeten Sieg zuzusteuern. Doch dann wurde Zverev plötzlich nachlässig, spielte unkonzentriert und leistete sich einige unnötige Fehler. So ließ er Norrie zurück in die Partie. Erst gelang dem Briten das Re-Break, dann nahm er Zverev ein weiteres Mal den Aufschlag ab und schaffte wenig später den Satzausgleich.

Zverev: «Ich bin erwachsener geworden»

Doch Zverev blieb ähnlich wie im knappen Zweitrundenspiel gegen den slowakischen Qualifikanten Lukas Klein ruhig. «Ich bin erwachsener geworden. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal einen Schläger zertrümmert habe», hatte Zverev in den Tagen von Melbourne über seine neue Herangehensweise auf dem Platz gesagt.

Und die Ruhe zahlte sich zunächst aus. Zverev gelang im dritten Satz ein frühes Break, der gebürtige Hamburger war nun wieder voll konzentriert bei der Sache. Auch die kurze Unterbrechung beim Stand von 4:1 brachte ihn nicht aus dem Rhythmus. Mit dem vierten Satzball holte er sich den dritten Abschnitt.

Doch wie schon nach dem gewonnenen ersten Satz leistete sich Zverev danach eine Schwächephase. Norrie, für sein großes Kämpferherz bekannt, nutzte das und schaffte nach etwas mehr als drei Stunden erneut den Ausgleich. Die Entscheidung musste also im Entscheidungssatz fallen. Hier gelang Zverev mit einem schnellen Break erneut der bessere Start. Doch wieder fehlte ihm die Konstanz, sodass Norrie prompt ausgleichen konnte.

Zverev spielte nun viel zu passiv, stand erneut unerklärlicherweise einige Meter hinter der Grundlinie und konnte so keinen Druck ausüben. Doch Norrie versagten in der entscheidenden Phase die Nerven. Der Brite machte viele Fehler, Zverev rettete sich so ins Viertelfinale.

Lars Reinefeld, dpa