Sensation bleibt aus: DHB-Team scheitert im EM-Halbfinale

Deutschlands Handballer blieben wie versteinert stehen und blickten enttäuscht auf den Hallenboden. Den aufmunternden Beifall von Bundestrainer Alfred Gislason registrierte im Moment der größten Enttäuschung niemand der völlig ausgelaugten DHB-Profis.

Die deutsche Mannschaft hat den Einzug ins Finale der Heim-EM nach großem Kampf verpasst. Die DHB-Auswahl musste sich dem Top-Favoriten Dänemark 26:29 (14:12) geschlagen geben und spielt am Sonntag bei der Heim-EM um die Bronzemedaille. Dort trifft die deutsche Sieben voraussichtlich auf Schweden.

«Ich bin sehr stolz auf Jungs, sie haben eine phänomenale erste Halbzeit geliefert. In der zweiten Halbzeit haben wir zu viel verworfen», sagte Gislason im ZDF: «Letztendlich hat sich die Routine der Dänen durchgesetzt, sie sind die beste Mannschaft der Welt.»

«Heute war nicht der perfekte Tag»

Auch Kapitän Johannes Golla war stolz auf die insgesamt gute Leistung, meinte aber auch: «Heute war nicht der perfekte Tag.» Den soll es nun im Spiel um Platz drei geben.

Schweden hatte sich im Halbfinale den Franzosen zunächst 30:34 geschlagen geben müssen – wenig später legten die Skandinavier aber Protest gegen die Wertung ein. Sofern es für das DHB-Team zum Duell mit Schweden kommt, geht es neben Bronze auch um ein Direktticket für die Olympischen Sommerspiele in Paris. Eine Entscheidung steht noch aus.

Deutschland muss nach dem Triumph 2004 in Slowenien sowie dem Gold-Rausch vor acht Jahren in Polen weiter auf seinen dritten Titel bei Europameisterschaften waren. Dennoch bietet sich für das DHB-Team, bei dem Renars Uscins mit fünf Toren bester Werfer war, erstmals seit fünf Jahren wieder eine Medaillenchance. Damals verlor Deutschland bei der Heim-WM das kleine Finale gegen Frankreich und wurde Vierter.

Deutschland zaubert in der Anfangsphase

Gislason hatte von seiner Mannschaft «das beste Spiel der letzten Jahrzehnte» gefordert, seine Spieler hofften auf einen «magischen Tag». Und tatsächlich versprühte die deutsche Sieben im Kölner Hexenkessel zunächst einen gewissen Zauber. Die Abwehr mit dem Innenblock-Duo Johannes Golla und Julian Köster stand kompakt, die Chancenverwertung war deutlich verbessert – und Dänemark wirkte gegen auftrumpfende DHB-Profis ideenlos.

Deutschland war hellwach und zwang das nordeuropäische Star-Ensemble um die Füchse-Profis Hans Lindberg und Mathias Gidsel zu zahlreichen technischen Fehlern. Die Handball-Übermacht Dänemark wackelte, die Zuschauer begleiteten jeden ihrer Angriffe mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Häfner abgereist, Kastening krank

Deutschland hielt seine knappe Führung, leistete sich aber ohne den angeschlagenen Rechtsaußen Timo Kastening und den aus privaten Gründen bereits abgereisten Routinier Kai Häfner immer mehr Fehler im Angriffsspiel. Verlass war in dieser Schwächephase einmal mehr auf Torhüter Andi Wolff und die deutschen Abwehrspieler, die Dänemark immer wieder den Ball abluchsten. Zweieinhalb Minuten vor der Halbzeit baute das DHB-Team seinen Vorsprung erstmals auf drei Tore aus. Die Halle tobte.

DHB-Sportvorstand Axel Kromer lobte zur Halbzeit den Mut der deutschen Mannschaft. «Wahnsinnig intensiv, emotional, gnadenlos in der Abwehr und Renars Uscins ist wie Phönix aus der Asche gekommen», befand Kromer über den U21-Weltmeister, der viele erfolgreiche Akzente setzte.

Emil Nielsen in Höchstform

Der Mut verließ Deutschland unmittelbar nach der Halbzeit und Dänemark drehte das Spiel. Dass der Weltmeister nicht komplett davoneilte, lag am einmal mehr überragend parierenden Wolff. Das DHB-Team fing sich kurzzeitig wieder und die Abwehr bewegte sich erstklassig. Auf den Sitzen hielt es in der Kölner Arena niemanden mehr.

Auf dänischer Seite lief Keeper Emil Nielsen jetzt zur Höchstform auf und vereitelte einen deutschen Angriff nach dem anderen. Die Mannschaft von Gislason kämpfte, wirkte aber erschöpft. Die Bewegungen waren längst nicht mehr so flüssig wie in der ersten Halbzeit. Rund 14 Minuten vor Spielende ging der Top-Favorit erstmals mit drei Toren in Führung. Der Olympia-Zweite gab diesen Vorsprung nicht mehr her und zerstörte so die deutschen Träume von einer Goldmedaille bei der Heim-EM.

Von Jordan Raza und Eric Dobias, dpa