Dieter Müller wird 70: «Geschenkte Jahre» und ein Tor-Rekord

Den Trubel um ihren Mann wird Johanna Höhl «mit ganz viel Toleranz und Liebe» hinnehmen. «Ich freue mich für ihn», sagt die Ehefrau von Dieter Müller vor dessen Feier mit etwa 130 Personen bei einem Szene-Italiener in Neu-Isenburg nahe Frankfurt herzlich lachend.

Am 1. April wird der frühere Bundesliga-Torschützenkönig und Vize-Europameister 70. Seine Johanna, die ihm einst das Leben gerettet hat, spricht von «geschenkten Jahren».

Die Liste von Dieter Müllers Erfolgen im Fußball ist eindrucksvoll, aber das ist nur die eine Seite. 1997 starb sein Sohn Alexander an einem Gehirntumor – mit 16. «Das war mein schlimmster Schicksalsschlag und hat mein ganz Leben beeinflusst», sagt der gebürtige Offenbacher im dpa-Gespräch.

«Ich bin dem Leben sehr dankbar»

Am 30. September 2012 erlitt Dieter Müller zu Hause in Maintal einen Herzinfarkt und lag anschließend fünf Tage im Koma: «Im Prinzip war ich fast tot.» Johanna Höhl hatte damals den Notarzt gerufen und ihn mit Erste-Hilfe-Maßnahmen gerettet.

Gerade deshalb sagt der frühere Profi von Kickers Offenbach, des 1. FC Köln, von Girondins Bordeaux, des VfB Stuttgart, der Grashopper Zürich und des 1. FC Saarbrücken: «Ich bin dem Leben sehr dankbar.»

Dieter Müller spielte mit Franz Beckenbauer zusammen, stand 1976 im EM-Finale, war 1978 bei der WM in Argentinien dabei. Die «Schmach von Córdoba» gegen Österreich war sein letztes von zwölf Länderspielen. Sein Verhältnis zum damaligen Bundestrainer Helmut Schön war nie das beste, die Konkurrenz im Angriff groß: Klaus Fischer, Horst Hrubesch, Karl-Heinz Rummenigge, Bernd Hölzenbein.

Weder Robert Lewandowski noch Gerd Müller schlagen seinen Topwert

Was Dieter Müller bleibt, sind die Titel als Torschützenkönig der Bundesliga 1977 mit 34 und ein Jahr später mit 24 Treffern. Im selben Jahr feierte er mit Köln auch den Gewinn der deutschen Meisterschaft. «Das ist ein großer Verein, und es macht mich ein bisschen traurig», sagt er zur Misere des derzeitigen Tabellenvorletzten. «Mein Herz hängt an Köln. Ich wünsche, dass sie die Kurve noch kriegen und es zumindest in die Relegation schaffen.»

Mit insgesamt 177 Toren steht Dieter Müller auf Rang neun der ewigen Bestenliste im Oberhaus. Einen Rekord hält er bis heute: Beim 7:2 des FC Köln gegen Werder Bremen am 18. August 1977 erzielte der Mittelstürmer als bisher einziger Spieler sechs Tore in einer Partie. Das haben noch nicht einmal ein Gerd Müller oder Robert Lewandowski geschafft. Als er im Frankfurter Stadion mal miterlebte, dass Luka Jovic ein Fünferpack gelang, wurde er so nervös, dass er auf die Toilette ging. Jovic wurde kurz vor Schluss ausgewechselt und Dieter Müller glaubt, dass Eintracht-Trainer Adi Hütter nichts von seiner Bestmarke wusste.

Der deutschen Fußball-Nationalmannschaft traut Dieter Müller bei der Heim-EM im Sommer viel zu. «Wenn Toni Kroos so weiterspielt, dann können wir Europameister werden», sagt er. «Ich glaube, dass wir eine bessere Rolle spielen werden, als viele denken und ins Halbfinale kommen.»

Viele Weggefährten, wie zum Beispiel Toni Schumacher oder Rudi Völler, gehören zu den geladenen Gästen bei Dieter Müllers Geburtstagsfeier. «Ein gutes Glas Wein, das habe ich in meiner Zeit in Bordeaux schätzen gelernt», sagt der Jubilar. Ansonsten achtet er seit jenem Tag 2012 penibel auf einen gesunden Lebenswandel mit drei Vorgaben: Sauerstoff, also Bewegung an der frischen Luft, gesunde Ernährung und Demut: «Ich weiß nur zu gut, dass jeder Tag der letzte sein kann.»

Von Ulrike John, dpa