Alexander Megos ist einer der besten Kletterer der Welt – bei den Olympischen Spielen im Sommer will der deutsche Szenestar um Medaillen kämpfen. Um nach Paris zu kommen, hat der 30-Jährige aber nicht nur die anstehende Qualifikation vor sich. Er muss auch einen großen, grünen Vorsatz brechen.
«Ich habe schon vor drei Jahren gesagt, dass ich für keinen Wettkampf mehr in ein Flugzeug steige», erzählt Megos. Leider findet das Quali-Event für Olympia am dritten Mai-Wochenende aber in Shanghai statt – und dorthin kommt man nicht so schnell mit der Bahn oder in Fahrgemeinschaften.
Eigentlich fühlt sich Megos als Felskletterer, als Freiluftathlet, ein bisschen auch als Freigeist. Im Alter von 19 Jahren gelang ihm – quasi zufällig – ein Weltrekord, der selbst die damaligen Topstars verblüffte. Vom einen auf den anderen Tag war er in der Kletterszene berühmt, seitdem hat er einige der schwersten Felswände auf dem Globus bezwungen.
Shanghai-Trip «liegt mir schwer im Magen»
Er braucht das Gefühl von echtem Stein und Fels unter den Fingerkuppen, Natur- und Klimaschutz liegen dem Mann aus Erlangen sehr am Herzen. Regelmäßig versucht er, auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aufmerksam zu machen, unter anderem auf seinen Social-Media-Kanälen. Wenn Megos über Shanghai spricht, wird deutlich, wie ihn der Interkontinentalflug nervt. «Das liegt mir schwer im Magen», erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. «Ich muss meine eigene Regel brechen. Aber das wird das letzte Mal sein.»
Tatsächlich hatte Megos sogar überlegt, die Olympia-Qualifikation und damit auch die Chance auf seine zweiten Spiele nach Tokio 2021 ganz sausen zu lassen. Mehr als ein Jahr lang grübelte er zusammen mit seinen zwei Trainern und Vertrauensleuten, was überwiege: das grüne Gewissen oder die sportliche Herausforderung? «Den Ausschlag gab, dass es wohl meine letzte Chance ist, mich noch mal für Olympia zu qualifizieren», schildert Megos. Also geht er den Kompromiss ein – natürlich ist er auch ehrgeizig.
Der Kampf um acht Paris-Tickets
Was freilich aber nicht infrage kam, waren Teilnahmen an den bisherigen Weltcups der Saison in China und den USA. Der Formtest mit einigen der besten Wettkampfkletterer und Olympia-Favoriten blieb deshalb aus. Ob das ein großer Nachteil ist? Megos hofft nicht. Er meint, dass sein deutscher Trainingspartner Yannick Flohé ja «quasi absolute Weltspitze» sei und er allein schon deshalb «ungefähr abschätzen kann, wo ich stehe».
Auch Flohé geht mit guten Chancen in die Olympia-Qualifikation. Nach Shanghai (16.-19. Mai) steht vom 20. bis 23. Juni das zweite und finale Event in Budapest an. Beide Wettkämpfe werden zusammengerechnet, die besten zehn Sportlerinnen und Sportler bekommen jeweils ihre Tickets für Paris. Je acht Athleten pro Geschlecht hatten sich schon über die WM 2023 und kontinentale Qualifikationsevents ihre Olympia-Teilnahmen gesichert.
Megos und Flohé treten in einem Kombi-Wettkampf an, bei dem Bouldern – also das Klettern von schwierigen Bewegungsabläufen in Absprunghöhe – und Lead – das klassische Seilklettern – verbunden werden. Speedklettern an einer genormten Wand mit der immer gleichen Grifffolge ist anders als noch in Tokio diesmal eine eigene Disziplin.
Sehnsucht nach dem Fels
Olympia-Regularien, neue Wettkampfformate, aufwendige Events rund um den Erdball: Irgendwie ist das alles nicht so richtig Alexander Megos‘ Welt. Er begrüßt zwar, dass die Sommerspiele 2021 in Tokio und nun 2024 in Paris sowie der damit verbundene Hype die Sportart populärer gemacht haben. «Wenn ich heute jemandem sage, dass ich Kletterer bin, werde ich viel seltener gefragt: Und, warst du schon auf dem Mount Everest?» Megos grinst. Der Franke hat sich auch seit Monaten dem Training voll verschrieben, will bei den Sommerspielen im August unbedingt noch mal dabeisein und um das Podium klettern.
Danach aber freut er sich bereits, das Wettkampfklettern wieder weiter hinten anzustellen und öfter an den geliebten Fels zu gehen. Mitte April sitzt Alex Megos in der Kletterhalle in München-Thalkirchen, gleich steht der nächste Trainingsblock an. Er erzählt, dass er zwei Tage davor mit Flohé draußen am Felsen war, irgendwo im Frankenjura. Und schnell kommt er ins Schwärmen: «Es war megacool. Obwohl es kalt war, geregnet und sogar gehagelt hat, war es irgendwie gut.» Und um so etwas zu erleben, muss er in kein Flugzeug steigen.