Auch Tennis-Ikone Boris Becker fiebert den heutigen Männer-Halbfinals bei den French Open mit Alexander Zverev entgegen. «Ich bin schon total aufgeregt», sagte der sechsmalige Grand-Slam-Turniersieger bei Eurosport. Der Vortag mit den Halbfinals bei den Frauen sei schon «ein guter Tennistag» gewesen, so Becker, «bei den Herren wird es hoffentlich genauso».
Aus deutscher Sicht wird das Halbfinale von Zverev (27) gegen den Norweger Casper Ruud (25) am späten Nachmittag (nicht vor 17.30 Uhr) mit Spannung erwartet. Während der Hamburger in seinen vergangenen drei Matches insgesamt 11,5 Stunden auf dem Platz stand und zweimal über fünf Sätze gehen musste, hatte Ruud aufgrund des verletzungsbedingten Viertelfinal-Verzichts von Titelverteidiger Novak Djokovic drei Tage Pause.
«Mitten im Turnier drei Tage frei zu haben, halte ich nicht für einen Vorteil», sagte Becker. Körperlich käme das Ruud zwar gelegen, «aber du bist dann auch mental weg, die Konzentration geht dann auch flöten», meinte Becker: «Ich bin gespannt und hoffe, dass das Match enger wird als letztes Jahr.» Im Vorjahres-Halbfinale hatte Ruud klar in drei Sätzen gegen Zverev, der nach seiner schweren Fußverletzung 2022 noch nicht in Topform angetreten war, gewonnen.
Becker erwartet hochklassigen Schlagabtausch
Mit Blick auf das erste Halbfinale (14.30 Uhr) zwischen den beiden Jungstars Jannik Sinner (22) und Carlos Alcaraz (21) prophezeite Becker einen hochklassigen Schlagabtausch. Spätestens nach dem Viertelfinalsieg gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas wisse man, dass der Spanier Alcaraz «in Topform ist», sagte Becker, «auch wenn er noch diesen Socken um den Ellenbogen hat».
Alcaraz hatte vor den French Open mit einer Verletzung am Ellenbogen zu kämpfen gehabt. Auch der Italiener Sinner, der nach dem Turnier Djokovic als Nummer 1 der Weltrangliste ablöst, habe sich nach seiner Hüftverletzung in Paris «von Match zu Match gesteigert», sagte Becker. Sinners Duell mit Alcaraz sei «natürlich das Match, auf das sich alle freuen».
Sorge um deutsches Tennis
Becker ist trotz des Erfolgs von Alexander Zverev bei den French Open über die aktuelle Situation im deutschen Tennis besorgt. «Dahinter klafft doch eine große Lücke», sagte der 56-Jährige: «Ich mache mir Sorgen um die 18- bis 21-Jährigen. Wenn sie aus dem Jugendbereich kommen, sehe ich zu wenig Gute, die sich durchsetzen können.»
Er selbst könne sich eine erneute Arbeit im Deutschen Tennis Bund vorstellen, aber: «Der neue Präsident Dietloff von Arnim hat mich letzten Sommer angesprochen, er würde sich gerne mit mir unterhalten, ob ich mir vorstellen könnte, wieder mitzumachen. Auf dieses Gespräch warte ich bis heute», verriet Becker.
Für ihn sei es keine Frage des Geldes, betonte der frühere «Head of Men’s Tennis» im DTB: «Ich habe das ehrenamtlich gemacht und würde das auch heute wieder machen – aber ein Gespräch würde ich schon ganz gerne haben.» Er habe aber das Gefühl, dass eine stärkere Mitarbeit von Ex-Tennisprofis «nicht gewollt» sei.
Beim Grand-Slam-Turnier auf Sand in Paris erreichte von 13 deutschen Spielerinnen und Spielern nur Alexander Zverev die dritte Runde. Bedenklich ist vor allem die Situation bei den Frauen, bei denen Angelique Kerber (36) nach ihrer Babypause noch nicht mit der Weltspitze mithalten kann und jüngere Spielerinnen wie die frühere Wimbledon-Viertelfinalistin Jule Niemeier (24) immer wieder große Rückschläge kassieren.
Für Besserung soll ein neues Leistungssportkonzept des DTB sorgen. Das sei «ein tolles Konzept», sagte die frühere Bundestrainerin Barbara Rittner, die daran selbst noch mitgearbeitet hat: «Jetzt geht es natürlich an die Umsetzung.» Und da sehen Rittner und Becker noch großen Nachholbedarf. «Man kann keine Spielerin und keinen Spieler am Reißbrett entwickeln, sondern sie werden auf dem Platz entwickelt», sagte die 51-jährige Rittner.