Etwas über ein halbes Jahr nach seinem Doping-Geständnis hat Jan Ullrich weitere Einblicke in seine bewegte Vergangenheit gewährt.
«Letztendlich habe ich betrogen, ja», erklärte der frühere Tour-de-France-Sieger im ZDF-Sportstudio und bekannte: «Es war nicht richtig, was wir gemacht haben.» Er sei anfangs «naiv» gewesen, was Doping angeht, sagte der heute 50-Jährige. In seinem damaligen Team Telekom habe man ihm dann «plausibel erklärt», dass Doping «flächendeckend im Profi-Radsport» dazugehöre.
Im November hatte der Tour-de-France-Champion von 1997 nach jahrelangem Schweigen eingeräumt, gedopt zu haben. Zuvor hatte er ein Doping-Geständnis immer wieder abgelehnt. Der tief gefallene Ex-Radprofi hatte auch privat einige Turbulenzen erlebt. Er habe nur noch verdrängen wollen, sagte Ullrich: «Und da kam mir nichts Besseres in den Sinn wie Drogen und Alkohol.» Heute könne er dazu nur sagen: «Hände weg von diesen Substanzen!»
«Da wollte ich auch mit dabei sein, ja»
In dem Sportstudio-Gespräch wirkte Ullrich aufgeräumt. «Ich hätte mir nichts lieber gewünscht im Nachhinein, als wenn niemand gedopt hätte», sagte er. Damals habe er das aber anders gesehen, nachdem er über die Doping-Mechanismen im Profi-Radsport aufgeklärt worden sei: «Ab da denkt man natürlich nach, ab da will man natürlich die gleichen Waffen. Man will nicht mit dem Messer zur Schießerei kommen, das ist einfach so. Du willst ja dann auch dein Talent weiterhin zeigen. Ich dachte dann, das gehört zum Profi dazu und hab das dann mitgemacht.»
Es sei ihm nicht in den Sinn gekommen, Doping abzulehnen – denn das wäre «wahrscheinlich mit dem Karriereende» gleichbedeutend gewesen. Über das damals nicht nachweisbare Blutdopingmittel Epo sagte er: «Als ich gehört habe, dass das flächendeckend genutzt wird, da wollte ich auch mit dabei sein, ja.»
«Man glaubt ja selber, man macht nichts Verbotenes»
Wenige Tage vor Beginn der Tour de France 2006 war Ullrich im Zuge des Skandals um den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes von seinem Team T-Mobile ausgeschlossen worden. Der Verdacht: Eigenblutdoping. Ullrichs Name stand auf der Fuentes-Liste. Ein Geständnis? Legte er damals nicht ab. «An dem Tag war ich in Schockstarre», sagte Ullrich über seinen damaligen Ausschluss nun. «Man glaubt ja selber, man macht nichts Verbotenes.» Die Konkurrenz habe ähnlich agiert, er sei in einer Blase gewesen.
«Ich wollte es nicht glauben, dass ich rausgenommen werde, vor allem nicht von meinem Team, weil intern wusste man ja Bescheid.» Wie ein ausgesetztes Familienmitglied habe er sich gefühlt. Verraten wollte er die Szene und sich selbst aber nicht. Deshalb habe er sich auch seinen berühmten Satz zurechtgelegt: «Ich habe keinen betrogen.» Diese Wahrnehmung habe er gehabt, weil viele Fahrer das Gleiche gemacht hätten. Im Nachhinein sehe er das anders.
«Das war das, was an meiner Seele gefressen hat»
Die fortwährenden Doping-Vorwürfe und die Fragen zu dem Thema hätten ihn auch in den folgenden Jahren stark belastend. «Das hat mich mürbe gemacht, das hat mich aufgefressen», sagte Ullrich und spielte auf seine zahlreichen Eskapaden an. Er habe keinen Plan gehabt für sein Leben. Hinzu kam das lange ausbleibende Doping-Geständnis: «Das war das, was an meiner Seele gefressen hat.» Er habe alles verloren, auch seine Familie.
Dennoch sehe er es nicht als seine Aufgabe, die Doping-Szene von damals konkret zu benennen. Er könne nur für sich sprechen, sagte Ullrich: «Ich glaube persönlich, dass das System nur verändert werden kann, wenn der Weltverband da richtig dran bleibt.» Der Weltverband habe damals gewusst, was los gewesen sei, «er hat selbst geschwiegen».