Nach einer nervenaufreibenden Nacht in Rom bleibt es bei EM-Silber für Gesa Felicitas Krause, der Sieg des Sports über die Regeln macht auch das deutsche Hindernis-Ass glücklich. «Es war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt. Ich bin froh, dass das Ergebnis jetzt so steht und das Sportliche Vorrang hat», sagte Krause. «Ich habe mich nie als Siegerin dieses Rennens gefühlt, und daher ist es alles gut, so wie es ist.»
Das elende Hin und Her um einen nachträglichen dritten Titel für sie überschattete das spektakuläre Rennen, in dem die siegreiche Französin Alice Finot am Sonntagabend zunächst wegen des Verlassens der Bahn durch einen Schiedsrichter disqualifiziert worden war. Ein französischer Protest dagegen war erfolgreich, das sportliche Ergebnis blieb bestehen. Schließlich wurde auch für Montagabend die zunächst verschobene Siegerehrung anberaumt.
Krause freute sich darauf, diesen Moment genießen zu können, die junge Mutter hatte den Montag in Rom vor der Rückkehr zur Familie ohnehin noch eingeplant. Der Siegerin gratulierte sie schon zum verdienten Sieg. Finot hatte das Rennen über 3000 Meter Hindernis in 9:16,22 Minuten gewonnen. Krause kam nach 9:18,06 Minuten als Zweite ins Ziel und sicherte sich bereits ihre sechste internationale Plakette.
Glücklich über Silber
«Ich wollte hier eine Medaille gewinnen. Es ist Silber, und ich bin sehr, sehr glücklich damit», betonte die von einer Babypause erfolgreich zurückgekehrte 31-Jährige bereits unmittelbar nach dem Rennen, immer noch eingehüllt in eine schwarz-rot-goldene Fahne. In diesem Moment wusste sie nach eigenen Worten noch nichts davon, was sich hinter den Kulissen abspielte.
Der deutsche Sportdirektor Jörg Bügner erklärte am Montag, man habe Hinweise darauf erhalten, dass ein Regelverstoß vorgelegen habe. Diesen Hinweisen sei man nachgegangen und habe beim Europäischen Leichtathletik-Verband Videoeinsicht beantragt.
«Zur Überprüfung kamen wir jedoch nicht, denn zwischenzeitlich hat ein Schiedsrichter die Sachlage geprüft und die Französin aufgrund mehrmaligen Betretens der Innenbahn disqualifiziert. Der französische Verband hat daraufhin Protest eingelegt. Dies prüfte die Jury und gab dem französischen Team Recht», erläuterte Bügner. Demnach legte der DLV selbst keinen Protest ein.
Krause nach Rennen noch lange wach
Um kurz vor Mitternacht erschien Finot wieder als Siegerin in den offiziellen Ergebnislisten. Die 33-Jährige ließ mit ihrer fulminanten Schlussrunde auch Krause keine Chance. Die einstige WM-Dritte aus Trier musste noch zur Dopingkontrolle, sah dann ihre Eltern und verließ erst um halb drei das Olympiastadion.
Im Mannschaftshotel dauerte es noch einmal eineinhalb Stunden, bis Krause dann zur Ruhe kam. Es kamen Anrufe und Nachrichten, sie las, was über diesen Abend geschrieben wurde, berichtete die erfahrene Läuferin. Sie habe sich diese Zeit gegeben, «um mit der Situation abzuschließen und in den Modus der Freude zurückzukehren». Denn schon nach der Abreise aus Rom gilt alle Konzentration der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in knapp zwei Monaten in Paris.
Europameisterin Finot hatte vom mehrmaligen Betreten der weißen Bahnbegrenzungslinie nach dem Wassergraben keinen sichtbaren Vorteil. «Wir brauchen im Sinne des Sports Regeln und diese müssen auch durchgesetzt und beachtet werden, aber manchmal müssen wir auch genau in diesem Sinne des Sports anerkennen, wenn jemand besser ist», schrieb der frühere Zehnkämpfer und ARD-Experte Frank Busemann zum nächtlichen Wirrwarr und kommentierte den Ausgang zufrieden: «Gold für Frankreich, Silber für Gesa Krause. Geht doch. Danke Sport.»