Nach der geknackten 10-Sekunden-Marke posierte Owen Ansah voller Stolz und mit einem breiten Lächeln vor der Anzeigetafel. 9,99 Sekunden – als erster deutscher Sprinter hat der 23-Jährige über die 100 Meter eine magische Marke geknackt. «Es musste irgendwann mal passieren. Heute ist es passiert», sagte der deutsche Meister Ansah, «und ich bin mega-happy, dass ich der Erste bin.»
«Gänsehaut» bei Lückenkemper
Auf der besonders prestigeträchtigen Sprint-Strecke, auf der Armin Hary als Erster – handgestoppt – nach 10 Sekunden ins Ziel kam, verbesserte Ansah bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig den acht Jahre alten nationalen Rekord des Wattenscheiders Julian Reus um zwei Hundertstelsekunden. Gina Lückenkemper verspürte bei diesem spektakulären Titelkampf-Moment und kurz vor ihrem eigenen Sieg über 100 Meter «Gänsehaut».
«Man holt sich einen Rekord. Es kommt nicht einfach so. Man muss Tag für Tag hart trainieren», sagte Ansah. 13.517 Zuschauer feierten ihn mit riesigem Applaus auf der Ehrenrunde. ARD-Experte Frank Busemann war begeistert. «Wir warten seit Jahrzehnten darauf. Das braucht die Leichtathletik, das tut so gut, so ein Ding auf die Bahn zu nageln», sagte der frühere Weltklasse-Zehnkämpfer.
Trainer spricht von «Sportgeschichte»
Ansah startet für den Hamburger SV und trainiert in Mannheim unter dem früheren Weitsprung-Europameister Sebastian Bayer. Der Trainer sprach von einem Kapitel «Sportgeschichte» nach dem Coup seines Athleten. «Als erster Deutscher unter zehn Sekunden. Ich hoffe, dass das ein positiver Schub ist», sagte der 38-Jährige. Der Weltrekord von Jamaikas Ausnahmesprinter Usain Bolt, den dieser im Jahr 2009 in Berlin aufstellte, liegt in einer anderen Dimension und bei 9,58 Sekunden.
Ansah schenkte den Sieg vor dem Kölner Favoriten Joshua Hartmann (10,06) dem Idol: Seinem Vater. Dessen Geburtstag ist rund um die Titelkämpfe in Braunschweig. «Er hat gesagt, er wünscht sich gerne die Goldmedaille», sagte der Sprinter. Erledigt – und wie! Ansah darf sich nun auf einen olympischen Einzelstart und ein Staffel-Rennen freuen.
Der Papa als Vorbild
«Mein Vorbild ist mein Papa. Er ist damals nach Deutschland gekommen, ohne irgendwas zu haben», sagte der 23-Jährige über den Mann, der aus Ghana stammt und einst selbst Leichtathletik betrieb. Auf dessen Anraten hin – und die Motivation durch seinen Sportlehrer in der siebten Klasse – kam auch Owen Ansah zur Leichtathletik.
Für Ansah sind Rekord und Paris-Ticket die vorläufigen Höhenpunkte nach einer langen Leidenszeit. Der 23-Jährige wurde im Vorjahr von einem Ödem am Schambein ausgebremst. Sechs Monate konnte er nicht trainieren. «Das war schon eine harte Zeit, aber die gehört dazu», sagte der HSV-Sportler. Umso schöner, wenn es sich dann wie auf der blauen Braunschweiger Bahn auszahlt.