Jan-Lennard Struff hatte auch lange nach seinem überraschenden Erstrunden-Sieg gegen den Russen Andrej Rubljow noch eine Gänsehaut. «Die Stimmung war einfach geil. Dafür spielen wir Tennis», sagte der 31 Jahre alte Warsteiner nach seinem Coup in Paris.
Trotz der Corona-Lage dürfen in diesem Jahr bei den French Open in der ersten Woche pro Tag rund 5000 Zuschauer auf die Anlage im Stade Roland Garros. Einige Hundert davon hatten den Weg zu Court 14 gefunden und sorgten nach der monatelangen Corona-Tristesse endlich einmal wieder für Party-Stimmung. «Es hat riesig Spaß gemacht», sagte Struff nach seinem hart umkämpften 6:3, 7:6 (8:6), 4:6, 3:6, 6:4 gegen den Weltranglisten-Siebten. Es war Struffs erster Sieg bei einem Grand Slam gegen einen Top-Ten-Spieler.
Vier deutsche Herren in Runde drei
Endlich einmal wieder einen Grund zu feiern hatte auch Philipp Kohlschreiber. Der Routinier siegte im Oldie-Duell gegen den Spanier Fernando Verdasco mit 7:6 (7:3), 6:2, 2:6, 6:4 und gewann damit erstmals seit Februar 2020 wieder ein Spiel auf der ATP-Tour. «Das fühlt sich unheimlich gut an. Es ist schön, dass man heute Abend einmal nicht im Hotelzimmer sitzt und grübelt, warum man verloren hat», sagte der Augsburger.
Damit stehen vier deutsche Herren beim Sandplatz-Klassiker in Runde zwei. Zuvor hatten bereits Alexander Zverev und Dominik Koepfer ihre Auftaktspiele gewonnen. Zverev bekommt es am 2. Juni mit dem russischen Qualifikanten Roman Safiullin zu tun. Nach dem Ausscheiden von Mitfavorit Dominic Thiem hat Zverev in seiner Turnierhälfte gute Chancen, weit zu kommen. Zum Auftakt tat sich der gebürtige Hamburger gegen den Kölner Oscar Otte aber schwer und musste über fünf Sätze gehen.
Geheimfavoriten besiegt
Struff verwandelte nach 3:46 hochklassigen Stunden seinen zweiten Matchball. Im Kampf um den Einzug in die dritte Runde bekommt es der Davis-Cup-Profi jetzt am 3. Juni mit dem Argentinier Facundo Bagnis zu tun. «Ich bin sehr happy, dass ich gewonnen habe. Ich wusste, dass ich meine Chance kriege, aber dass ich wirklich gewinne, macht mich einfach nur glücklich», sagte Struff.
Die deutsche Nummer zwei zeigte von Beginn an eine beeindruckende Vorstellung. Struff bestimmte zwei Sätze lang das Geschehen und brachte den favorisierten Rubljow immer wieder zur Verzweiflung. Der Russe, für viele Experten einer der Geheimfavoriten, steigerte sich danach aber und schaffte den Satzausgleich. Das Momentum lag nun klar aufseiten von Rubljow, der sein Sandplatz-Können zuletzt mit der Final-Teilnahme in Monte-Carlo gezeigt hatte.
Doch Struff ließ sich nicht beirren und schaffte zum 2:1 im fünften Satz das entscheidende Break. Mit einem starken Aufschlagwinner machte er die Überraschung perfekt und ließ sich danach von den Zuschauern feiern. «Der Sieg bedeutet mir sehr viel», sagte Struff.
Erfolgserlebnis für Kohlschreiber
Auch Kohlschreiber genoss es, endlich mal wieder vor Zuschauern zu spielen. Gegen den ebenfalls 37 Jahre alten Verdasco leistete sich der Bayer nur im dritten Satz einen kleiner Durchhänger, kämpfte sich am Ende aber durch. Die langjährige deutsche Nummer eins war zuletzt immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen worden. Dennoch ist ein Karriereende für ihn noch kein Thema. In Paris trifft er jetzt auf den starken Russen Aslan Karazew.
Alle deutschen Damen ausgeschieden
Andrea Petkovic hat das schlechteste Abschneiden der deutschen Tennis-Damen bei den French Open seit mehr als 60 Jahren perfekt gemacht. Die 33 Jahre alte Darmstädterin unterlag in Paris der an Nummer 18 gesetzten Tschechin Karolina Muchova trotz ordentlicher Leistung mit 6:1, 3:6, 4:6 und schied damit als letzte Deutsche in der Damen-Konkurrenz aus. Zuvor hatten bereits Angelique Kerber und Laura Siegemund ihre Auftaktspiele verloren. Damit steht beim Sandplatz-Klassiker im Stade Roland Garros erstmals seit 1958 keine deutsche Spielerin in der zweiten Runde.
«Natürlich ist das schade. Einerseits ist es eine Momentaufnahme, andererseits ist unsere Generation auch einfach älter geworden», sagte Petkovic. «Das Gute ist, dass wir jetzt viele Turniere in Deutschland haben, die der nächsten Generation die Chance geben, sich zu zeigen und Anschluss zu halten.» Im Sommer stehen Turniere in Berlin, Bad Homburg und nach Wimbledon auch in Hamburg an.
Krawietz siegt mit neuem Doppelpartner
In der Doppel-Konkurrenz schaffte der zweimalige French-Open-Champion Kevin Krawietz mit seinem neuen Doppelpartner Horia Tecau aus Rumänien den Sprung in die zweite Runde. Das an Nummer neun gesetzte Duo setzte sich gegen Ariel Behar aus Uruguay und Gonzalo Escobar aus Ecuador mit 6:3, 3:6, 7:6 (7:5) durch. Der 29 Jahre alte Krawietz hatte in den vergangenen beiden Jahren zusammen mit dem Kölner Andreas Mies beim Sandplatz-Klassiker triumphiert. Mies muss in diesem Jahr allerdings wegen einer Knieoperation passen.
«Natürlich fühlt es sich komisch an, hier mit einem anderen Partner aufzulaufen. Hier sind sehr viele emotionale Dinge passiert in den vergangenen beiden Jahren», sagte Krawietz. «Ich habe vor zwei Tagen noch mit Andi telefoniert, auch heute hat er mir direkt gratuliert. Ich hoffe, dass er bald wieder fit ist», sagte der Coburger.