Viele Problemfälle, Fragezeichen um die Olympiasieger Thomas Röhler und Christoph Harting – und der überragende Speerwerfer Johannes Vetter ist gar nicht dabei.
Vor den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften am Wochenende in Braunschweig haben so viele Stars abgesagt wie selten zuvor. Sieben Wochen vor den Sommerspielen in Tokio muss der DLV befürchten, dass einige auf der Strecke bleiben. «Ja, ich bin besorgt», sagte Chefbundestrainerin Annett Stein. Die Sorge beim deutschen Verband gilt nicht nur den Verletzten, sondern auch dem einen oder anderen noch nach der Olympia-Form suchenden Athleten.
So bremst eine Rückenverletzung die Vorzeigeläuferin Konstanze Klosterhalfen aus. Die 24-jährige Leverkusenerin schürte mit ihren deutschen Rekorden und WM-Bronze 2019 in Doha die Hoffnung, auch in Japan in die Medaillenspur zu finden. «Sie bereitet sich weiter konzentriert auf die Spiele vor», versicherte Stein. «Es bleiben noch acht Wochen für den Formaufbau.»
Wegen einer Muskelverletzung hat Deutschlands schnellste Sprinterin Gina Lückenkemper (Berlin) ihren Start bei der Olympia-Generalprobe, bei der am Samstag und Sonntag jeweils 2000 Zuschauer zugelassen sind, absagen müssen. Rückenbeschwerden hindern den zweimaligen Kugelstoß-Weltmeister David Storl (Leipzig) an der Teilnahme, seine Ring-Kollegin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) sitzt nach ihrer Reise zum Diamond-League-Meeting im englischen Gateshead in der Quarantäne fest. Abgemeldet haben sich ebenso die besten Hürdensprinterinnen der vergangenen Jahre: Cindy Roleder (Halle) und Pamela Dutkiewicz-Emmerich (Wattenscheid).
Große Sorgen gibt es um Christoph Harting, den Diskus-Überraschungssieger von Rio 2016. Der 31 Jahre alte Berliner warf die Scheibe bisher nur auf 65,40 Meter, womit ihm 60 Zentimeter zur Tokio-Norm fehlen. Nachdem er bei der EM 2018 und der WM 2019 jeweils im Vorkampf gescheitert war, droht ihm nun das Olympia-Aus. «Wenn er deutscher Meister wird, ist er durch: Mit einem Wurf kann er dabei sein», meinte Stein. Bisher haben aber drei Konkurrenten mehr als 67 Meter weit geworfen.
Auch in seiner Paradedisziplin, dem Speerwurf, ist der DLV nicht vom Verletzungspech verschont. Johannes Vetter, mit 96,29 Metern Nummer eins in der Welt, muss wegen einer Muskelverletzung passen, die er sich am vergangenen Samstag bei der Team-EM zugezogen hat. «Es besteht für mich kein Grund nervös zu werden», sagte der WM-Dritte aus Offenburg. «Olympia ist im Fokus und wir bleiben vorsichtig.» Vetter kann nach seinen 90-Meter-Würfen in Serie sicher für Olympia planen.
Das Wettwerfen um die beiden weiteren Tokio-Fahrkarten verspricht höchste Spannung. Olympiasieger Thomas Röhler aus Jena hat 2020 und in diesem Jahr noch keinen Wettkampf bestritten und plagte sich zuletzt mit einer Muskelverhärtung herum. Wenn er antritt, trifft er auf die 80-Meter-Werfer Julian Weber (Mainz) und Bernhard Seifert (Potsdam). Außerdem könnte ihm der EM-Zweite Andreas Hofmann aus Mannheim – er ist nach einer Ellenbogen-Operation im Formaufbau – noch den Platz im Olympia-Team streitig machen.
Bei den Frauen ist Christin Hussong unangefochten. Die Europameisterin aus Zweibrücken katapultierte sich mit 69,19 Metern auf den zweiten Rang der Weltrangliste. «Sie bewegt sich in einer Sphäre wie Vetter», befand Stein.
Etwas gut zu machen hat die zweimalige Hindernis-Europameisterin Gesa Krause (Trier), die bei den Titelkämpfen im vergangenen Jahr überraschend ausgestiegen war und ihre Saison beendete. Mit 9:16,89 Minuten war sie zuletzt in Doha gut gestartet, aber auch auf enorm starke Konkurrenz getroffen.
Wie Krause hat auch Malaika Mihambo eine Medaille als Olympia-Ziel. Die Weitsprung-Weltmeisterin wartet noch auf den ersten Sieben-Meter-Satz in diesem Jahr. «Ich bin auf dem richtigen Weg», meinte die 27-jährige von der LG Kurpfalz. «Bei den deutschen Meisterschaften geht es darum, Erste zu werden. Natürlich möchte man bei Olympia weiter springen als 6,60 Meter – aber da mache ich mir keine Sorgen.»