Auf seine Aufnahme in den elitären «Club der Hunderter» bereitete sich Manuel Neuer mit der für ihn typischen Professionalität vor.
Schon bei den letzten Trainingseinheiten in Seefeld trug Deutschlands Nummer 1 Torwarthandschuhe, die mit einer goldenen 100 am Klettverschluss verziert sind. Die Gewöhnung an die neuen Handschuhe ist wichtig. Neuer überlässt nie etwas dem Zufall.
Am Montag (20.45 Uhr/RTL) erreicht der hochdekorierte Titelsammler vom FC Bayern München einen weiteren Meilenstein in seiner Karriere. Der 35-jährige Neuer wird bei der EM-Generalprobe gegen Lettland in Düsseldorf zum 100. Mal im Tor der Fußball-Nationalelf stehen.
Weltmeister von 2014 stolz
«Die Hunderter-Marke erfüllt mich mit Stolz. Das ist etwas ganz Besonderes, als Torwart so viele Spiele zu machen für sein Land», sagte der Weltmeister von 2014 in der Vorbereitung auf sein sechstes großes Turnier als Deutschlands Nummer 1 (dreimal WM, dreimal EM).
Sein Jubiläum darf er in der Düsseldorfer Arena immerhin vor 1000 Zuschauern feiern. Eine größere Zeremonie vorm Anpfiff ist nicht vorgesehen. Neuer wird die DFB-Ehrenmedaille erhalten. Und «die 100 wird man vielleicht an der einen oder anderen Sache bei ihm sehen», verriet DFB-Direktor Oliver Bierhoff vorab – «auch am Trikot».
Im Laufe der Tirol-Woche wurden zahllose Elogen auf Neuer gehalten. «Manu ist der beste Torwart, den ich je gesehen habe. Punkt!» Das sagte etwa Mats Hummels. Der Verteidiger ist froh, nach seiner Rückkehr ins DFB-Team bei der EM wieder Neuer als Rückhalt hinter sich zu wissen. «Manu verteidigt Situationen anders als jeder andere Torwart», lobte Hummels. Neuer glänzt nicht nur im Kerngeschäft eines Torwarts. Er ist der Schrecken vieler Stürmer. Dazu ist er fast ein elfter Feldspieler. Er schießt. Er köpft. Er ist ein Torwart-Libero.
Debüt bei Asienreise 2009
Neuer sei «zurecht über Jahre schon der weltbeste Torwart», sagt Bierhoff. Auf der Asienreise 2009 debütierte Neuer noch als Schalker beim 7:2 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate. Am späten Abend in Dubai war es immer noch bullenheiß. Der damals 23-Jährige hielt top.
«Vom ersten Moment, den er bei uns war, hatte ich das Gefühl, das wird mal ein ganz großer Torwart in der Welt», sagt Joachim Löw zwölf Jahre später. Jedes seiner Länderspiele hat Neuer unter diesem Bundestrainer absolviert. Löw schätzt Neuer nicht nur als Sportler. Er rühmt ihn auch als «Menschen mit Werten und Charakter».
Bundestorwarttrainer Andreas Köpke macht es «stolz», dass er Neuer über dessen gesamte DFB-Zeit begleiten durfte. «Es macht Spaß mit ihm.» Und 100 Länderspiele seien «schon eine Hausnummer», sagte Köpke, der selbst auf 59 kam. Eines hat er Neuer voraus. Köpke wurde 1996 Europameister. Das ist der einzige Titel, der Neuer fehlt.
Neuer will den EM-Titel
Der Bayern-Schlussmann würde ihn bei seiner womöglich letzten EM gerne gewinnen. «Wir stecken die Ziele hoch», sagte er in Tirol. Aber erstmal schnappt er sich die 100. Eine Marke, die erst 15 deutsche Spieler vor ihm geknackt haben. Neuer verweist jedoch auf einen feinen Unterschied gegenüber den Feldspielern: «Gerade als Torwart ist es nicht so leicht, so viele Länderspiele zu bestreiten.»
Feldspieler würden von Einwechslungen profitieren. «Sobald man eine Minute auf dem Platz steht, hat man ein Länderspiel bestritten.» Der Torwart spielt dagegen in der Regel 90 Minuten durch – oder eben gar nicht. Frag‘ nach bei Marc-André ter Stegen (29). Neuers ewiger DFB-Thronfolger wartet seit Jahren auf seine Krönung zur Nummer 1. Ter Stegen muss sich langsam vorkommen wie Englands Prinz Charles.
Schon länger schielt er auf die 100
Deutschlands erster Hunderter-Torwart zu sein, ist für Neuer darum ein besonderer Erfolg. Erst recht, wenn er an «Legenden» wie Sepp Maier, Oliver Kahn oder Toni Schumacher denke. Schon seit Jahren habe er auf die 100 «geschielt», sagte Neuer. Drei Mittelfußbrüche und eine lange Verletzungspause brachten ihn vorübergehend vom Kurs ab. Erst kurz vor der vermurksten WM 2018 gab Neuer nach 599 Tagen beim 1:2 gegen Österreich in Klagenfurt sein Länderspiel-Comeback.
Ans Aufhören denkt der Jubilar nicht. Löw geht, Hansi Flick kommt, Neuer bleibt: So lautet sein Fußball-Dreisatz. «Ich habe immer Spaß und Freude beim Nationalteam. Ich ziehe das Trikot auch gerne in Zukunft an, wenn es mir gut geht, wenn mein Körper sagt, es geht weiter. Ich bin 35, fühle mich aber fit und sehr leistungsfähig. Ich habe nicht vor, meine Nationalmannschaftskarriere zu beenden.»
Die Nationalspieler mit den meisten Länderspielen:
- Lothar Matthäus 150 Länderspiele (1980 – 2000)
- Miroslav Klose 137 (2001 – 2014)
- Lukas Podolski 130 (2004 – 2017)
- Bastian Schweinsteiger 121 (2004 – 2016)
- Philipp Lahm 113 (2004 – 2014)
- Jürgen Klinsmann 108 (1987 – 1998)
- Jürgen Kohler 105 (1986 – 1998)
- Per Mertesacker 104 (2004 – 2014)
- Franz Beckenbauer 103 (1965 – 1977)
- Joachim Streich 102* (1969 – 1984)
- Thomas Häßler 101 (1988 – 2000)
- Toni Kroos 101 (2010 – 2021)
- Thomas Müller 101 (2010 – 2021)
- Hans-Jürgen Dörner 100* (1969 – 1985)
- Ulf Kirsten 100** (1985 – 2000)
- Manuel Neuer 99 (2009 – 2021)
* für die ehemalige DDR-Auswahl
** davon 49 für die ehemalige DDR-Auswahl