Prothesen-Weitspringer Markus Rehm hat seine Forderung, für die Olympischen Spiele in Tokio nominiert werden zu wollen, sportlich und verbal bekräftigt.
«Ich habe mit 8,29 Meter zum dritten Mal die Olympia-Norm übertroffen und möchte nominiert werden», sagte der 32 Jahre alte Leverkusener bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig. Allerdings wurde diese Leistung nicht in der Wertung der Nichtbehinderten berücksichtigt.
«Ich hoffe, dass wir eine einvernehmliche Regelung finden und uns nicht die Paragrafen um die Ohren hauen», meinte Rehm. Bisher habe der Deutsche Leichtathletik-Verband das Gespräch mit ihm nicht gesucht. «Ich finde es schade, dass man nicht in den Austausch geht und so mauert.» Deshalb schließt er nicht aus, juristisch seinen Anspruch auf einen Tokio-Start einzuklagen: «Man muss sich alles offen halten. Beide Seiten können es sich sparen.»
DLV sieht keinen Handlungsgrund
DLV-Leistungssportchef Idriss Gonschinska sieht keinen Grund zum Handeln. «Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt keine Veränderung der Regel von World Athletics», betonte er. «Seit 2015 gibt es die regelmäßig, gelebte Praxis, Markus Rehm zu integrieren.» Außerdem wisse man in der Sache, dass eine Hightech-Carbonprothese eine höhere Energierückführungsrate aufweise, als es das Muskel-Skelett-System realisiere. «Insofern erfolgt die Leistungserbringung mit einer anderen Mechanik», sagte Gonschinska.
Sportlich spricht nichts gegen den Olympia-Start von Rehm – im Gegenteil. Bei den Para-Europameisterschaften verbesserte er den Weltrekord sogar auf 8,62 Meter und wäre damit Erster der Weltjahresbestenliste der Nichtbehinderten vor dem Griechen Miltiadis Tentoglou (8,60 Meter). Nummer eins der DLV-Rangliste ist Oliver Koletzko (Wiesbaden/7,90). «Tolle Leistung, aber der herkömmliche Weitsprung ist nicht mit dem mit Prothesen zu vergleichen», meinte auch der Stuttgarter Fabian Heinle, der mit 7,81 Meter Meister wurde.
2014 hatte Rehm, der als 14-Jähriger sein rechtes unteres Bein verlor, den Titel regulär gewonnen, danach wurde die DLV-Regel geändert: Gemeinsam springen ja, aber mit einer getrennten Wertung, heißt es seitdem, weil Prothesen behinderten Athleten einen Vorteil verschaffen oder verschaffen sollen. Eine Studie von 2016, zu der sich Rehm zur Verfügung stellte, ergab: Einen Beweis gab es nicht.
DLV verweist auf den Weltverband
Der DLV rückte damals nicht von seiner Position und Regel ab – und tut es heute nicht. Dabei verweist er auf den Weltverband World Athletics, der Behinderte bei seinen Titelkämpfen nicht mehr zulässt, nachdem er den südafrikanischen 400-Meter-Läufer Oscar Pistorius bei der WM 2011 und bei Olympia 2012 starten lassen musste.
Pistorius hatte dies beim Internationalen Sportgerichtshof Cas erstritten. Im vergangenen Jahr gab es vom Cas ein weiteres wegweisendes Urteil zur Beweislastumkehr bei Para-Leichtathleten: Danach müssen nicht mehr die Sportler beweisen, einen Vorteil durch Prothesen zu haben, dieser muss ihnen nachgewiesen werden.
«Der DLV beruft sich auf die Regel von Worlds Athletics, die nach dem Cas-Urteil so nicht mehr haltbar und rechtmäßig ist», kritisierte Rehm. Die Verantwortung werde immer auf andere geschoben: «Das finde ich echt traurig.»
Rehm will Zeichen für Inklusion setzen
Dem in Göppingen geborenen Meister der Orthopädietechnik geht bei Tokio-Spielen nicht darum, unbedingt in der gleichen Wertung wie die Nichtbehinderten zu starten oder eine Medaille zu gewinnen. «In erster Linie will ich beweisen, dass ich vorne mitspringen kann. Ich möchte auch ein Zeichen für Inklusion setzen», erklärte Rehm und betonte: «Für mich mache ich gar nichts mehr. Von einem veränderten Regelwerk werde ich nicht mehr profitieren.»