Alfons Hörmann kämpft um seine Zukunft. Mit der Vertrauensfrage auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Spätsommer will sich der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes Rückendeckung für seinen Verbleib im Spitzenamt holen und geforderte Neuwahlen abwenden.
Die Krise um die schweren Vorwürfe aus dem Mitarbeiterkreis gegen Hörmann und die DOSB-Spitze soll mit dem Vertrauenstest kurz nach den Sommerspielen und den Paralympics gelöst werden, entschieden Präsidium und Vorstand nach dreitägigen Beratungen.
Damit kommt die Verbandsführung vorerst nur in Teilen der dringenden Empfehlung der Ethikkommission nach, die zuvor die schweren Anschuldigungen untersucht hatte. Neben einer Vertrauensabstimmung hatten die Ethiker um den Bundesinnenminister Thomas de Maizière für die nächste Mitgliederversammlung im Dezember «vorgezogene Neuwahlen für das gesamte Präsidium» angemahnt.
Drängen von Hörmann
Auch auf Drängen von Hörmann soll die Vertrauensfrage nun früher gestellt werden. Die Paralympics enden am 5. September. Fraglich ist, ob sich eine mögliche Opposition im Verband so schnell organisieren und eine Ablösung des umstrittenen DOSB-Chefs erzwingen kann.
Basketball-Verbandschef Ingo Weiss begrüßte den Schritt als Sprecher der Spitzenverbände. Man werde bei der Mitgliederversammlung «Tacheles reden und dort deutlich machen, wie wir den Sport vom Abstellgleis holen, wo er gerade steht, und wieder auf die Schienen bringen», sagte Weiss. Es werde «Zeit, dass wir da hinkommen».
«Zum Wohl des deutschen Sports» sei die Entscheidung der DOSB-Spitze gefallen, hieß es in einer Mitteilung. Ausgelöst worden war der Hauskrach beim DOSB Anfang Mai durch ein anonym versendetes Schreiben aus dem Mitarbeiterkreis. Der Brief enthielt schwere Anschuldigungen gegen Hörmann und die Spitze des Verbandes. Die Rede war von einem «Klima der Angst» in der DOSB-Zentrale in Frankfurt am Main. Hörmann wurde psychischer Druck auf Mitarbeiter und ein laxer Umgang mit Corona-Vorschriften vorgeworfen.
Gibt es doch Neuwahlen?
Sollten Hörmann und sein Präsidium nicht eine klare Mehrheit bei der Vertrauensfrage erhalten, könnte es doch noch Neuwahlen geben. Dann wäre der Verbandschef zu schwer beschädigt, um noch länger den DOSB führen zu können. Turnusgemäß stünden erst auf der Mitgliederversammlung 2022 Wahlen auf der Tagesordnung. Der aus Bayern stammende Wirtschaftsmanager Hörmann ist seit Dezember 2013 Chef des DOSB. In den vergangenen Jahren hatte es mehrfach Kritik an seiner Amtsführung gegeben.
Man sei sich «der besonderen Verantwortung für den deutschen Sport, den DOSB und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst», sagte Hörmann zur der Entscheidung für die Vertrauensabstimmung. Diese fiel nicht einstimmig aus. Athletenvertreter Jonathan Koch trug den Beschluss nicht mit, wie ein DOSB-Sprecher mitteilte.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatten sich Präsidium und Vorstand eilig hinter Hörmann gestellt und ihm das Vertrauen ausgesprochen. Athletenvertreter Koch hatte sich indes schon damals von dieser Erklärung distanziert. Hörmann selbst versprach, die Vorwürfe «offen und transparent» aufklären zu wollen und zeigte sich betroffen. Der 60-Jährige kündigte an, «ein anderes Klima im DOSB schaffen» zu wollen.
Rücktrittsforderungen
Kritik an der DOSB-Spitze und an Hörmann kam auch aus einigen Landessportbünden, dies ging sogar bis hin zu Rücktrittsforderungen. Angesichts des großen Drucks schaltete die Verbandsführung die Ethikkommission um den früheren Bundesinnenminister Thomas de Maizière ein.
Das Gremium ging nach Anhörungen und Prüfung zahlreicher eingesendeter Stellungnahmen hart mit den Spitzenfunktionären ins Gericht. «Es gibt zu viel Selbstbespiegelung, Demotivation und Gerüchte, Unzufriedenheit und Unklarheit», wird im Report festgestellt. Angesichts des fehlenden Vertrauens könne es im deutschen Sport «in dieser Art nicht weitergehen». Vorstandschefin Veronika Rücker versprach: «Wir werden in den nächsten Wochen auf das gesamte DOSB-Team aktiv zugehen, zuhören und gemeinsam Verbesserungen umsetzen.»