England und Schottland: Gemeinsam gegen Rassismus

Kurz vor dem Anpfiff werden sie demonstrativ zusammenhalten. Wenn Englands Fußballer am Freitag (21.00 Uhr) im Wembley-Stadion mit einem Knie auf den Boden gehen, gehen Schottlands Spieler mit.

Aus Solidarität zueinander und ungeachtet der immer wieder aufkommenden Kritik aus zum Teil höchsten politischen Kreisen wollen beide Teams bei der Europameisterschaft gemeinsam ein Zeichen gegen Diskriminierung setzen. «Schottlands Mannschaft ist gegen Rassismus, aber am Freitag werden wir gegen Ignoranz und aus Solidarität zu England niederknien», sagte der schottische Kapitän Andy Robertson vom FC Liverpool.

Kontroveres Them: «Gesten-Politik»

Die meisten der bis zu 22.500 Zuschauer im Londoner Fußball-Tempel werden die Geste wohl lautstark beklatschen, einige von ihnen dürften die Spieler dagegen wieder ausbuhen. Denn das Thema bleibt in Großbritannien ein kontroverses. Die britische Innenministerin Priti Patel hatte den Kniefall erst vor wenigen Tagen als «Gesten-Politik» kritisiert und den Fans das Recht auf Buhrufe zugesprochen. Einen Tag später vertrat Staatsminister Michael Gove dann eine andere Position und sprach sich dafür aus, dass Fußballer «die Möglichkeit dazu haben sollten», ihre Gefühle gegen Vorurteile auszudrücken. Und die Spieler selbst? Die machen einfach weiter.

«Wir haben unsere eigenen Sichtweisen, was wir tun können, um zu helfen – und was Einfluss haben kann. Wir stehen gewissermaßen für das ein, an das wir glauben», sagte Englands Nationalspieler Tyrone Mings nach der Kritik der Innenministerin. Dabei ist die Geste alles andere als neu. Seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd vor einem Jahr zeigen Spieler des englischen Nationalteams und der Premier League vor jedem Spiel mit dem Kniefall ihre Solidarität mit der «Black Lives Matter»-Bewegung. Dass die Geste nicht unumstritten ist, wird seit der Rückkehr des Publikums in die Stadien deutlich. Auch vor Englands EM-Testspielen buhten einige Fans.

«Verstehe das nicht»

«Ich verstehe das nicht. Wenn man damit nicht einverstanden ist, kann man vielleicht auch einfach nichts tun. Aber das eigene Team auszubuhen, ist meiner Ansicht nach eine sehr merkwürdige Reaktion», haderte Englands Coach Gareth Southgate. Kurz vor dem erfolgreichen EM-Auftakt der Three Lions gegen Kroatien (1:0) hatte Englands Verband sogar mit einem öffentlichen Brief an die eigenen Anhänger appelliert, gemeinsam die Mannschaft zu unterstützen. Trotzdem buhten einige von ihnen auch am vergangenen Sonntag.

Zur Wahrheit gehört auch, dass nicht alle schwarzen Fußballer den Kniefall befürworten. Wilfried Zaha von Crystal Palace bezeichnete ihn schon vor einigen Monaten als «erniedrigend». Dennoch gingen auch die Belgier um ihren Sturmtank Romelu Lukaku vor dem 3:0-Sieg gegen Russland mit einem Knie auf den Boden, ebenso wie der spanische Schiedsrichter Antonio Mateu Lahoz. Sie ließen sich von deutlichen Pfiffen und Buhrufen des Publikums im russischen St. Petersburg nicht aufhalten.

Schotten zeigen Solidarität

Lahoz‘ italienischer Kollege Daniele Orsato hatte vor dem Kroatien-Spiel ebenfalls gemeinsam mit den Engländern gekniet. Das werden nun auch die Schotten tun. «Wir werden Solidarität zeigen mit unseren englischen Gegenspielern, von denen viele Teamkollegen unserer eigenen Spieler sind», sagte Schottlands Coach Steve Clarke. Grundsätzlich wollen die Bravehearts aber dabei bleiben, stehend ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Mit der Ausnahme für das England-Spiel will man nicht nur Solidarität zeigen, sondern offenbar auch Fehlinterpretationen vorbeugen.

Eine Strafe durch die UEFA droht den Verbänden nicht. Im Gegenteil: Die Europäische Fußball-Union unterstützt die Proteste gegen Rassismus während der EM. «Jeder Spieler oder Offizielle» dürfe dies tun, teilte die UEFA auf dpa-Nachfrage mit. «Wir bitten die Zuschauer dringend, den Spielern und Mannschaften, die auf die Knie gehen, Respekt zu zeigen». Dass sich am Freitag in Wembley jeder an diese Bitte hält, erscheint allerdings unwahrscheinlich.

Von Nils Bastek, Christian Kunz und Philip Dethlefs, dpa