Polen: Lewandowski-Tor hat «die Hoffnung beim Volk geweckt»

Die anfängliche Skepsis war schon in Untergangsstimmung übergegangen – doch ein einziges Tor von Robert Lewandowski hat den Polen den Stolz auf ihre Fußballer zurückgegeben.

«Die Hoffnung beim Volk ist wieder geweckt», schrieb die «Gazeta Wyborcza» vor dem Gruppenfinale gegen Schweden. «Ganz Polen wird an die Mannschaft glauben und mit ihr fiebern.» Die Sportzeitung «Przeglad Sportowy» sah ein «Erwachen» und schrieb: «Das ist nicht nur Polen, das ist Polen mit Lewandowski. Die Schweden fangen schon an, sich ein bisschen zu fürchten.»

Schweden schon im Achtelfinale

Den Skandinaviern kann das Getöse herzlich egal sein. Sie sind auch ohne den verletzten Superstar Zlatan Ibrahimovic vorzeitig für das Achtelfinale qualifiziert. Für die Polen geht es laut «Przeglad Sportowy» an diesem Mittwoch (18.00 Uhr/Magenta TV) in St. Petersburg hingegen «nicht um die Ehre. Sondern um alles.»

Streng genommen gibt es nur zwei Dinge, die für die Polen sprechen: Die Tatsache, dass die Schweden weiter sind. Und eben Lewandowski. Der Weltfußballer ist mit drei Toren jetzt auch Polens EM-Rekordtorschütze. Bei einem Vorrunden-Aus wäre das neben all seinen Titeln mit dem FC Bayern und persönlichen Auszeichnungen die kleinste Randnotiz in der Bilanz des 32-Jährigen.

Polen gegen Schweden seit sieben Spielen sieglos

Alle Statistiken sprechen gegen die Polen: Sie gehen als Gruppenletzter in das entscheidende Spiel, haben von den letzten neun Partien nur eine gegen Andorra gewonnen und die Schweden sind auch noch ein Angstgegner. Seit einem 2:0 am dritten Geburtstag von Lewandowski 1991 ist Polen gegen die Drei-Kronen-Auswahl in sieben Spielen sieglos geblieben. Zudem hat Schweden bei dieser EM noch kein Gegentor kassiert.

Die polnischen Erwartungen vor dem Turnier waren schon verhalten. Die «Gazeta Wyborcza» attestierte Lewandowski, dass bei den Nationalmannschaften eben «im Extremfall Stars auch mit Stümpern zusammenarbeiten» müssten. Das 1:2 gegen die Slowakei schien die Skepsis zu bestätigen. Doch Lewandowskis Treffer zum 1:1 gegen Spanien brachte die Hoffnung zurück. «Er hat demonstriert, dass er unser Anführer ist», schwärmte der auch schon kritisch beäugte Nationaltrainer Paulo Sousa. Der Torjäger sei «lebenswichtig».

Politischer Nebenschauplatz

Gestört wurde die Vorbereitung durch einen politischen Nebenschauplatz, den die polnische Verfassungsrichterin Krystyna Pawlowicz eröffnete. Schweden solle Polen vor dem Spiel «die geraubten Kunstschätze und das Kulturerbe» zurückgeben, twitterte die für ebenso vulgäre wie rechtsnationale Äußerungen bekannte Pawlowicz in Bezug auf die Invasion der Schweden und ihrer Verbündeten im Polnisch-Schwedischen Krieg 1655 bis 1660.

Ihren Tweet wollte die Verfassungsrichterin später als «scherzhaft» verstanden wissen, aber sie legte nach. Das Spiel sei «eine gute Gelegenheit, die Schweden daran zu erinnern, dass sie Polen ausgeraubt haben wie die wilden Barbaren, wie Russen und Deutsche. Und jetzt brüsten sie sich in ihren Museen mit polnischem Kulturgut.»

Die schwedischen Spieler kümmern diese Provokationen wenig. Sie haben andere Sorgen. «Es ist ein bisschen tragisch, die Familien nicht treffen zu können», sagte der Leipziger Emil Forsberg, der den bisher einzigen Endrundentreffer der Schweden erzielte. Erst Quarantäne, dann EM – die Zeit ist jetzt schon lange. «Das war anstrengend. Man bekommt Bauchschmerzen», sagte der Vater einer knapp dreijährigen Tochter: «Das einzige, was sie sagt, ist: Komm nach Hause, Papa, komm nach Hause.» Dennoch hoffe er, «dass wir so weit wie möglich kommen. Dann müssen wir uns später treffen. Ich tue das hier für sie.»

Die voraussichtlichen Aufstellungen

SCHWEDEN: 1 Olsen – 2 Lustig, 3 Lindelöf, 24 Danielson, 6 Augustinsson – 7 Sebastian Larsson, 21 Kulusevski, 20 Olsson, 10 Forsberg – 11 Isak, 9 Berg

POLEN: 1 Szczesny – 18 Bereszynski, 15 Glik, 5 Bednarek – 10 Krychowiak – 21 Jozwiak, 14 Klich, 26 Puchacz,- 20 Zielinski – 11 Swiderski 9 Lewandowski

Schiedsrichter: Michael Oliver (England)

Von Holger Schmidt, Doris Heimann und Jens Marx, dpa