Noch weit nach Mitternacht beantwortete der eine gefühlte Ewigkeit aus Frankreichs Nationalmannschaft verbannte Karim Benzema Fragen.
In Badelatschen schlurfte der Stürmer von Real Madrid dann nach seinem furiosen Tore-Comeback für Les Bleus nach mehr als fünfeinhalb Jahren in den Bauch der Puskas Arena in Budapest.
Benzema sprach nach dem packenden 2:2 (1:1) im EM-Gruppenfinale gegen Titelverteidiger Portugal von einer «Menge Freude, Stolz. Ich denke, dass jeder darauf gewartet hat. Der Druck des ganzen Landes lastete auf mir. Ich bin aber ein Profi, ich brauche diesen Druck auch», meinte der 33-Jährige nach seinem Doppelpack (45.+2 Foulelfmeter, 48.) für die bereits zuvor für das Achtelfinale qualifizierten Franzosen. «Die Maschine läuft wieder», konstatierte «L’Équipe».
Prozess soll im Oktober beginnen
Benzema war aus dem Gedächtnis der Équipe Tricolore eigentlich schon gelöscht gewesen. Er wird verdächtigt, im Juni 2015 bei einer versuchten Erpressung des französischen Mittelfeldspielers Mathieu Valbuena mit einem Sexvideo als Komplize agiert zu haben. Diesem wurde bei einem Anruf mit der Veröffentlichung des intimen Tapes gedroht. Die Verteidigung Benzemas weist die Vorwürfe zurück. Im Oktober soll der Prozess beginnen.
Benzema wurde im Zuge der Affäre zunächst suspendiert und schließlich nicht mehr berücksichtigt. Nationaltrainer Didier Deschamps nominierte ihn dann nach Jahren überraschend für die Fußball-EM.
«Er hatte sein Vertrauen nicht verloren und meines auch nicht», sagte Deschamps nach diesem irren Abend in Ungarn. Am 8. Oktober 2015 hatte Benzema beim 4:0 gegen Armenien letztmals für Frankreich getroffen – zweimal sogar. Nach 2085 Tagen knipste er nun wieder und plauschte auf dem Rasen angeregt mit seinem früheren Madrider Teamkollegen Cristiano Ronaldo, der ebenfalls zweimal erfolgreich war.
Benzema spürt wieder die Zuneigung
Raphaël Varane erkannte eine «große Genugtuung. Eine Rückkehr in die französische Mannschaft war nicht selbstverständlich. Diese Tore werden es ihm ermöglichen, maximales Selbstvertrauen zu haben», sagte der Innenverteidiger, der Benzemas Teamkollege bei Real ist. «Wir werden Karim mit vollem Vertrauen für die K.o.-Spiele brauchen.»
Den Glauben in die eigenen Fähigkeiten – den benötigt Benzema. Er ist nun sogar dem Datenanbieter Opta zufolge vor Legende Zinedine Zidane der älteste französische Nationalspieler, der bei einer WM oder EM in einem Spiel mindestens einmal getroffen hat.
«Es geht nicht um Zweifel, aber ich spüre eine Erwartungshaltung des ganzen Landes, was für mich nach fünf Jahren des Wartens normal ist», befand Benzema. «Ich werde es mit allen genießen.» Aus dem Publikum bekam er ganz viel Zuneigung: «Mir hat es das Herz gewärmt, und ich hoffe, dass es noch weitere Nächte wie diese gibt.»
Kylian Mbappé, Antoine Griezmann & Co. haben natürlich ebenfalls kein Interesse an einem schnellen Ende ihrer EM-Tour. Die Franzosen treffen nun als Tabellenerster der deutschen Gruppe F am Montag (21.00 Uhr) in Bukarest auf die Schweiz. «Jetzt beginnt ein neuer Wettbewerb», verkündete Deschamps.
Abreise aus Budapest, Anreise nach Bukarest – nach drei intensiven, aber ungeschlagenen EM-Duellen. «Wir werden uns gut ausruhen und uns dann gut auf die zweite Hälfte des Turniers vorbereiten», kündigte Varane an. Und Mittelfeldlenker Paul Pogba meinte entschlossen: «Wir wissen, dass wir uns weiter verbessern müssen. Wir zweifeln aber nicht an uns.»