Diese andalusische Nacht gehörte den «Roten Teufeln». Nicht Cristiano Ronaldo, nicht dem entthronten Titelverteidiger Portugal.
Tief enttäuscht verschwand der fünfmalige Weltfußballer als einer der ersten in der Kabine des Estadio La Cartuja vor Mitternacht. Kein alleiniger Tor-Weltrekord, keine EM mehr für den auch schon 36 Jahre alten Ronaldo. Dass Alter aber nichts heißen muss, bewiesen die Belgier auch mit einer Dreier-Abwehrkette, die zusammen 101 Jahre alt war und keinen Treffer des EM-Rekordtorjägers und auch seiner Mitspieler zuließ.
Der Einzug in die Runde der besten Acht und die Vorfreude auf das Duell der Mitfavoriten gegen Italien am Freitag wird aber getrübt von den Sorgen um zwei ihrer absoluten Leistungsträger. «Ich hoffe, sie kommen schnell zurück, wir brauchen eine gute Mannschaft mit den besten Spielern», sagte Torschütze Thorgan Hazard.
Mit den beiden meinte der BVB-Profi seinen Bruder Eden Hazard und Kevin De Bruyne. Der Kapitän und der Spielmacher einer belgischen Mannschaft, die ihren eleganten Offensiv-Fußball in der ersten Hälfte einige Mal aufblitzen ließ, am Ende aber das tat, was auch dazu gehört: Kämpfen und sich mit allen Mitteln gegen nun mächtig drückende Portugiesen und ein Gegentor stemmen. Und das ohne De Bruyne bereits ab der 48. Minute. «Er hat einen Schlag bekommen auf das Sprunggelenk», sagte Thorgan Hazard. Sein Bruder musste mit einer Muskelverletzung kurz vor Schluss raus.
«Wir werden 48 Stunden brauchen», sagte Trainer Roberto Martínez kurz vor Mitternacht zu den ausstehenden Diagnosen. «Wir haben noch keine Angaben von den Ärzten», betonte er. Die Scans sollen nach der Rückreise noch in der Nacht nach Belgien am Montag gemacht werden.
Die Portugiesen müssen in den kommenden Tagen erstmal mit ihrem Seelenschmerz klarkommen. Trainer Fernando Santos sprach von einem «unfairen» Ergebnis und rechnete die Torschüsse (24 zu 6 für Portugal) gegeneinander auf. «Kein Team in der Welt kann sagen, dass es besser ist als Portugal. Es gibt einige, die sind genauso gut», sagte Santos: «Jeder Portugiese sollte stolz sein, was die Jungs heute geleistet haben.»
In der Kabine flossen allerdings Tränen. Und auch Superstar Ronaldo war die Enttäuschung anzusehen. Das Lob des Trainers über den fünfmaligen Weltfußballer – «er hat alles gegeben, er war ein echter Kapitän» – dürfte ihn kaum aufbauen.
In München hätte Ronaldo auch gern gespielt. Gegen Italien, das Land seines derzeitigen Clubs Juventus Turin. Nun aber spielt Belgien dort, das nach zehn Siegen in der Qualifikation, drei Siegen in der Gruppenphase laut Trainer Martínez in dem Spiel gegen den Europameister von 2016 so etwas wie die Titelreife-Prüfung bestanden hat. «Es war der größte Test, den wir haben konnten», sagte der Spanier.
Denn es ging nicht nur darum, offensiv zu glänzen, es ging auch darum, der Spielweise der Portugiesen und ihrem heftigen Druck in der zweiten Hälfte alles entgegenzusetzen. Vor zwei Jahren hätten sie das nicht geschafft. Als Trainer könne man nicht stolzer sein, sagte Martínez. «Das ist es, was ein Gewinner-Team braucht.»