Kroos tritt «ein bisschen komisch» aus dem DFB-Team zurück

Er war Joachim Löws Lieblingsspieler und beim Langzeit-Bundestrainer über ein Jahrzehnt gesetzt – jetzt geht auch Toni Kroos in Nationalmannschafts-Rente. Nach 106 Länderspielen beendet der Rio-Weltmeister von 2014 seine Karriere im DFB-Team.

«Die Entscheidung steht, sie ist unwiderruflich», sagte Kroos in seinem Podcast «Einfach mal Luppen». Der bittere und enttäuschende Achtelfinal-K.o. bei der EM war der letzte Auftritt des 31 Jahre alten Mittelfeldspielers von Real Madrid im Adler-Trikot. «Es ist immer so, dass nach Turnieren logischerweise gewisse Resümees gezogen werden», sagte Kross im Gespräch mit seinem Bruder Felix. Er räumte zugleich ein, es sei schon «ein bisschen komisch, es so beendet zu haben».

«Ich hätte mir sehnlichst gewünscht, und dafür habe ich nochmals alles gegeben, dass es am Ende 109 Länderspiele gewesen wären und dass noch dieser eine große Titel, der EM-Titel, zum Schluss dazugekommen wäre», schrieb Kroos auf Instagram. Den Entschluss nach diesem Turnier aufzuhören, hatte er schon länger gefasst.

Rücktritt hat mit EM-Aus nichts zu tun

«Es war mir schon länger klar, dass ich für die WM 2022 in Katar nicht zur Verfügung stehe», berichtete der in Mecklenburg-Vorpommern geborene und aufgewachsene Kroos. Der Rücktritt habe «absolut nichts mit dem Ausscheiden zu tun gehabt». Löw-Nachfolger Hansi Flick, der von Kroos vorab von dessen Rücktritt erfuhr, bedauerte die Entscheidung «wirklich sehr», er können die Beweggründe jedoch nachvollziehen.

Löw übermittelte auf der Internetseite des DFB: «Toni hat überragende Qualitäten und war ein großer Leader auf und neben dem Platz. 106 Länderspiele, unser gemeinsamer langer Weg und unser Triumph in Brasilien werden uns für immer verbinden. Danke, Toni!»

Beim Greifswalder SC hatte der spätere Weltstar mit dem Fußball begonnen. Mit seinem Vater Roland, der sein Jugendtrainer war, ging er 2002 zum FC Hansa Rostock und dann weiter zum FC Bayern, der ihn zwischendurch zu Bayer Leverkusen auslieh. 2014 folgte der Wechsel zu Real Madrid. Schon nach der blamablen WM vor drei Jahren in Russland hatte Kroos an ein Karriereende gedacht. «Damals war es auch Jogi, der darum gekämpft hat, dass ich weitermache.»

Im Dauereinsatz

Für Löw war Kroos immer «ein Vorbild an Professionalität» mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, «gerade auch dann, wenn es schwierig ist und du auf dem Platz Kontrolle brauchst». Kein Feldspieler kam häufiger oder länger unter Löw zum Einsatz als der Mann mit der Nummer acht. «Er hat mich zum Nationalspieler und Weltmeister gemacht. Er hat mir vertraut. Wir haben lange eine Erfolgsgeschichte geschrieben», schrieb Kroos seinen Dank an Löw.

Mit Kroos verlässt der aktuell hoch dekorierteste Akteur das Nationalteam: Weltmeister 2014, viermal Champions-League-Sieger mit dem FC Bayern (2013) und Real (2016-2018), Club-Weltmeister, deutscher und spanischer Meister, dazu Pokalsieger und und und. Auf Kritik reagierte Kroos wie zuletzt meist auf besondere Art: «Ich habe mein Spiel überhaupt nicht verändert», betonte er.

Im März 2010 gegen Argentinien (0:1) hatte Kroos für Deutschland debütiert, bestritt bei jeweils drei Welt- und Europameisterschaften insgesamt 28 Spiele und schoss drei Tore. In Erinnerung bleiben wird vor allem auch sein Tore-Doppelpack innerhalb von 69 Sekunden beim furiosen 7:1-Sieg im WM-Halbfinale 2014 gegen Gastgeber Brasilien. Kroos habe «über Jahre hinweg zu den prägenden Gesichtern der Mannschaft» gezählt, betonte DFB-Direktor Oliver Bierhoff: «Er steht für höchste Professionalität und Loyalität.»

«Es war mir eine große Ehre, dass ich dieses Trikot über so einen langen Zeitraum tragen durfte. Ich habe es mit Stolz und Leidenschaft getan», übermittelte Kroos an seine Fans, Mitspieler und Förderer. «Und Danke an alle Kritiker für ihre Extramotivation.» Dem Löw-Nachfolger Hansi Flick wünscht Kroos «ganz viel Glück und Erfolg». Den neuen Bundestrainer habe er vorab informiert.

Flick wusste Bescheid

«Ich habe mit Hansi bereits alles geklärt, weil ich möchte, dass er planen kann», sagte Kroos der «Bild» und «Sport Bild». Schon vor der EM habe er mit dem Nachfolger von Joachim Löw Kontakt gehabt. Flick habe ihm signalisiert, «dass er gerne mit mir nach der EM zusammenarbeiten würde». Der muss nun warten, ob auch die Routiniers Thomas Müller (31) und Mats Hummels (32) nach ihren EM-Comebacks weiter für Deutschland spielen wollen oder nicht.

Kroos will sich «die nächsten Jahre» voll auf die neuen Ziele mit Real Madrid konzentrieren. «Dazu werde ich mir von nun an ganz bewusst auch mal Pausen gönnen, die es als Nationalspieler seit elf Jahren nicht mehr gab. Und außerdem möchte ich auch mehr als Ehemann und Papa für meine Frau und meine drei Kinder da sein», erklärte der Ex-Nationalspieler: «Ich bin jemand, der noch mehr drunter leidet, wenn er nicht bei der Familie ist, als andere. Deshalb war das keine einfache Zeit.»

Nach 14 Jahren im Profifußball, die mit enormen Aufwand verbunden waren, spüre er natürlich den körperliche Verschleiß: «Irgendwann merkt man ihn leicht. Bevor ich ihn noch mehr merke, will ich einfach sichergehen, auch weiter in den nächsten Jahren noch auf Topniveau spielen zu können.» Die Spiele an sich, darauf hatte er immer noch «Riesenlust». Doch wenn er daran denke, «jetzt im September wären die nächsten Länderspiele und dann wieder im Oktober und dann wieder im November. Da muss ich schon sagen, habe ich eine große Vorfreude drauf, woanders zu sein.»

Von Jens Mende und Wolfgang Müller, dpa