Viertelfinal-Aus für Federer in Wimbledon – Djokovic weiter

Roger Federer verließ bei abendlichem Sonnenschein enttäuscht den Centre Court von Wimbledon und winkte noch einmal tapfer ins Publikum.

Und nur der bald 40 Jahre alte Tennis-Maestro weiß, ob er es an diesem 7. Juli 2021 um 18.13 Uhr Londoner Ortszeit vielleicht zum letzten Mal getan hat. Der achtmalige Sieger des Rasen-Klassikers ging nach dem 3:6, 6:7 (4:7), 0:6 im Viertelfinale gegen den Polen Hubert Hurkacz am Mittwoch als schwer geschlagener Mann von dem für so viele heiligen Tennis-Rasen.

Letzter Auftritt in Wimbledon?

«Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht», sagte Federer eineinhalb Stunden später immer noch bewegt. «Natürlich würde ich es gern noch einmal spielen, aber in meinem Alter weiß man nie, was kommt», ergänzte er. Eine Entscheidung, wie es weitergeht, soll bald fallen, ein Rücktritt ist wohl noch kein Thema. «Ich will mir Zeit lassen, um die richtige Entscheidung zu treffen. Das Ziel ist natürlich zu spielen», sagte Federer und dankte den Zuschauern für ihre Unterstützung über all die Jahre.

Die 15.000 Fans auf dem Centre Court feuerten Federer vergeblich an und verfolgten geschockt den Abschied der Wimbledon-Ikone, während der Weltranglisten-18. Hurkacz ruhig sein aggressives Spiel durchzog und bescheiden den größten Triumph seiner Karriere genoss. «Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin so glücklich», meinte er.

Gegen den 24-Jährigen hatte der Schweizer, der nach zwei Knieoperationen auch lange um seine Fitness rang, nur im zweiten Satz seine Chancen. Aber der Gewinner von 20 Grand-Slam-Titeln konnte eine 4:1-Führung nicht nutzen und rutschte – stellvertretend für seinen Auftritt – vor einem leichten Volley im Tiebreak unglücklich weg.

«Ich weiß, dass ich eine Chance habe», hatte Federer noch vor dem Turnierstart gesagt. Doch ihm fehlte in der 1:49 Stunden langen Partie oft die Spritzigkeit, daraus entstanden viele leichte Fehler. «Es scheint, als würde sein Körper das nicht so gut vertragen wie zuvor. Er wirkt ein bisschen platt», erklärte der einstige Wimbledonsieger John McEnroe als Experte für die BBC.

30 Jahre nach seinem Wimbledonsieg im deutschen Finale gegen Boris Becker sah auch Michael Stich als Experte beim Sender Sky, dass oft ein halber Schritt fehlte. «Das war schon eine große Outsider-Chance», sagte der 52-Jährige zu Federers Wimbledon-Ambitionen. Dass der langjährige Primus tatsächlich zu 100 Prozent an den Titel geglaubt habe? «Das kann ich mir nicht vorstellen», sagte Stich.

Federers langjähriger Rivale Novak Djokovic blieb dagegen bei seiner Rekordjagd ungefährdet. Der Weltranglisten-Erste erreichte durch das 6:3, 6:4, 6:4 gegen den Ungarn Marton Fucsovics zum zehnten Mal das Halbfinale in London und holte seinen 100. Profisieg auf Rasen.

Djokovic will 20. Grand-Slam-Titel

Der fünfmalige Wimbledon-Champion, der Federer vor zwei Jahren in einem dramatischen Finale besiegte, strebt nach den Erfolgen bei den Australian und French Open nun seinen 20. Grand-Slam-Titel an. Damit würde Djokovic zu den Rekordsiegern Rafael Nadal (Spanien) und Federer aufschließen. Zudem bietet sich ihm die Chance, in diesem Jahr alle vier großen Turniere sowie Olympia-Gold zu gewinnen. Den sogenannten Golden Slam hat bei den Herren noch niemand geschafft, bei den Damen gelang dies 1988 Steffi Graf.

«Ich bin mir einiger Zahlen bewusst. Manchmal sehen die Dinge irreal aus, aber ich versuche, im Moment zu leben», sagte der 34-jährige Serbe nach dem Einzug in sein 41. Halbfinale bei einem Grand-Slam-Turnier, gab aber am Mittwoch auch zu: «Geschichte zu schreiben, ist eine große Inspiration für mich.»

Djokovic trifft an diesem Freitag auf den kanadischen Weltranglisten-Zwölften Denis Shapovalov. Der Linkshänder besiegte den Russen Karen Chatschanow 6:4, 3:6, 5:7, 6:1, 6:4. Hurkacz spielt gegen den Italiener Matteo Berrettini, der Alexander Zverevs kanadischen Bezwinger Felix Auger-Aliassime 6:3, 5:7, 7:5, 6:3 schlug. Shapovalov, Berrettini und Hurkacz stehen zum ersten Mal in Wimbledon im Halbfinale. Djokovic bestritt am Mittwoch sein 50. Grand-Slam-Viertelfinale, Federer sein 58. und vielleicht das letzte in Wimbledon.

Von Robert Semmler, dpa