Die Olympia-Premiere von gemischten Fahnenträgerpaaren soll ein Signal für mehr Geschlechtergleichheit setzen. Beim Tragen der schwarz-rot-goldenen Flagge bevorzugt Laura Ludwig aber eher die klassische Rollenverteilung.
«Ich hoffe, dass er ein Gentleman ist und die schwere Arbeit ein bisschen mehr übernehmen wird», sagte die Beachvolleyballerin vor dem Auftritt mit Patrick Hausding bei der Eröffnungsfeier der Sommerspiele am Freitag in Tokio.
Erstmals in der Geschichte marschieren eine Trägerin und ein Träger ein – die sich aber eine Fahne teilen müssen. «So richtig abgesprochen haben wir es noch nicht, aber ich habe von Laura gehört, dass ich den größeren Bizeps habe», berichtete Wasserspringer Hausding im Olympischen Dorf. «Die Fahne darf nur nicht kaputt gehen, runterfallen oder wir über unsere Füße fallen.»
Zusätzliche Motivation
Für die beiden Vorzeigeathleten des deutschen Sports ist die Kür zum ersten Fahnenträger-Doppel eine zusätzliche Motivation vor dem Olympia-Start. Die 35-jährige Ludwig, die 2016 in Rio mit Kira Walkenhorst Gold gewann, setzte sich bei der Wahl mit 30,94 Prozent der Stimmen klar vor der Turnerin Elisabeth Seitz (20,83) und der Dressurreiterin Isabell Werth (24,94) durch. In das Ergebnis flossen je zur Hälfte ein Online-Voting unter der Bevölkerung, an dem sich mehr als 180.000 Menschen beteiligten, und eine Abstimmung im Team Deutschland ein.
Wesentlich enger ging es bei den Männern zu. Dort feierte Hausding, Olympia-Dritter von Rio und -Zweiter von Peking 2008, einen hauchdünnen Wahlerfolg: Mit 22,65 Prozent lag er nur um 0,07 Prozent vor Turner Andreas Toba (22,58). «Das ist schon verdammt knapp gewesen. Am Ende bin ich mit den meisten Stimmen der Präsident geworden», flachste der 32 Jahre alte Hausding, der wie Ludwig zum vierten Mal bei Olympia dabei ist. Bereits bei den Spielen 1964 in Tokio trug in Ingrid Engel-Krämer eine Wasserspringerin die Fahne für die gesamtdeutsche Mannschaft.
Nur 950 Ehrengäste
Dass die 68.000 Plätze im Kasumigaoka National Stadium – abgesehen von rund 950 Ehrengästen auf der VIP-Tribüne – bei der Eröffnungsfeier frei bleiben und damit wohl eine gespensterhafte Atmosphäre herrschen wird, stört das deutsche Duo nicht. «Es sind ja immer noch Olympische Spiele und ich gehe davon aus, dass auch die Zeremonie etwas ganz Besonderes sein wird», sagte Ludwig, die mit Margareta Kozuch um eine Medaille kämpfen wird. «Mit Zuschauern wäre es sicher um einiges grandioser. Es geht darum, dass wir das olympische Feeling bekommen», betonte sie, «und das werden wir auch erleben. Wir treten mit einem deutschen Team ein, das ist das A und O und wird uns auch beflügeln, um Medaillen zu holen.»
Die Eröffnung der von der Pandemie überschatteten und eingeschränkten Spiele wird nach Ansicht von Hausding durch die Geisterkulisse auch etwas einmaliges sein: «Wenn wir in 30, 40 Jahren auf diese Spiele zurückschauen und die Bilder anschauen, werden viele fragen, warum sind da keine Zuschauer. Dadurch werden diese Spiele herausstechen.»
Allzu lange sollen die deutschen Athleten ohnehin nicht im Stadion bleiben und die «Early-Depart»-Variante nutzen – also schnell wieder ins Olympische Dorf zurückkehren. «Die Medizinische Abteilung gibt diese Empfehlung», sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. «Jede Minute im Stadion erhöht das Risiko.»