Schwimmer wollen Tristesse beenden – Gold-Hoffnung Wellbrock

Die Chancen auf ein Ende der Olympia-Tristesse sind bestens, die Schwimm-Helden vergangener Tage um Britta Steffen fiebern vor dem Fernseher mit.

Angeführt von Gold-Kandidat Florian Wellbrock wollen die deutschen Becken-Asse ihre gruselige Serie beenden und in Tokio endlich wieder Medaillen bejubeln. Der schon forsch als «Retter des deutschen Schwimmens» betitelte 23-Jährige startet dabei als Mitfavorit in Becken und Freiwasser. Den Trubel rund um seine Person und die Erwartungshaltung von außen will er vor den mit Spannung erwarteten Starts im imposanten Tokyo Aquatics Centre nicht an sich heranlassen.

«Ich bin tatsächlich ganz gut darin, so etwas auszublenden», sagt der Weltmeister über 1500 Meter und zehn Kilometer im Freiwasser der Deutschen Presse-Agentur. «Ich kann verstehen, dass es solche Schlagzeilen gibt. Aber ich bin mir bewusst, dass ich den deutschen Schwimmsport nicht retten muss.» In den ersten Tagen von Tokio präsentiert sich Wellbrock locker, fokussiert und ließ sich gut gelaunt vor den olympischen Ringen fotografieren.

Trainer glaubt an Wellbrock

Auch Bundestrainer Bernd Berkhahn glaubt vor den Rennen von Samstag an nicht, dass Wellbrock sich wegen des öffentlichen Drucks verrückt machen lässt. «Er hat seine eigenen Ziele, und die sind groß genug», sagt er. «Die verfolgt er und die will er umsetzen, und alles andere ist ihm eigentlich egal.»

Seit 2008 und zwei Goldmedaillen von Steffen warten die Beckenschwimmer auf Edelmetall beim Ringespektakel, in London und Rio de Janeiro gab es Tränen, aber keine Medaille. Freiwasser-Rekordweltmeister Thomas Lurz bewahrte den Deutschen Schwimm-Verband 2012 mit Silber vor dem Komplett-Desaster. 2016 verhinderte Wasserspringer Patrick Hausding, dessen Team von Sonntag an in die Spiele startet, mit Bronze die komplette DSV-Nullnummer. Liefern jetzt Wellbrock & Co. unter dem Hallendach?

«Ich denke, es können viele schöne Momente für uns als Zuschauerinnen und Zuschauer werden!», sagte die frühere Freistilexpertin Steffen, die eine weitere Medaillenkandidatin berät. Langstreckenspezialistin Sarah Köhler setzt auf Steffens Unterstützung.

Medaille als «Kindheitstraum»

Die 27-Jährige ist WM-Zweite über 1500 Meter Freistil und hat wie ihr Verlobter Wellbrock hohe Ziele. «Eine Medaille wäre ein Kindheitstraum», sagt sie. Aus dem deutschen Team wollen zudem die Lagenschwimmer Philip Heintz und Jacob Heidtmann als erster deutscher Starter am Samstag, Schmetterlings-Schwimmerin Franziska Hentke sowie Brustschwimmer Marco Koch ins Finale.

Anders als gewohnt, finden die Endläufe in Tokio bereits am Vormittag (Ortszeit) statt, am Nachmittag stehen Vorläufe an. «Die Trainer haben ihre Sportler darauf vorbereitet und auch Belastungsserien in den Vormittag gelegt», sagte Berkhahn.

Neben den Leistungsträgern um Wellbrock und Köhler sollen junge Schwimmerinnen wie Anna Elendt oder Isabel Gose ihre ersten Olympia-Erfahrungen sammeln. «Das ist etwas, was Hannes Vitense und ich uns auf die Fahne geschrieben haben», sagt Berkhahn mit Bezug zu seinem Bundestrainer-Kollegen.

Viel los im Wettkampfbecken

Einen Eindruck von den Bedingungen konnten die Sportlerinnen und Sportler bereits gewinnen. Einen Tag vor den ersten Vorläufen war in der riesigen Halle mit den coronabedingt auch bei den Wettbewerben leeren grauen Tribünen bereits ordentlich Action. Zahlreiche Schwimmer trainierten im Wettkampfbecken, wenige Meter entfernt übten die Wasserspringer. Mit lautem Gebrüll stimmte sich das brasilianische Schwimm-Team auf die kommende Woche ein. Die Veranstalter testeten Anzeigetafel und Startsignal.

International richten sich die Augen der Schwimmfans vor allem auf die Top-Athleten aus den USA, Australien, Ungarn oder Großbritannien. Bei den ersten Spielen ohne den amerikanischen Rekordolympiasieger Michael Phelps seit 1996 wollen die US-Amerikaner Caeleb Dressel, Katie Ledecky, das britische Brustschwimm-Wunder Adam Peaty oder die Ungarin Katinka Hosszu die Spiele prägen.

Zurückhaltung bei Zielen

Die Stars der Schwimmszene haben in gleich mehreren Rennen Medaillenchancen. Für die deutsche Mannschaft halten sich die Verantwortlichen mit der Formulierung konkreter Ziele extrem zurück. Die beiden Bundestrainer Berkhahn und Vitense sprechen nicht über Edelmetall, der Präsident des Deutschen Schwimm-Verbands Marco Troll will sich vor dem Start der Wettbewerbe überhaupt nicht äußern. «Jetzt lauern wir und hoffen, dass das eine oder andere Vorhaben gelingt. Aber wir wollen den Sportlern keine Betonsteine auf den Rücken packen», sagte Leistungssportdirektor Lutz Buschkow.

Eines ist nach den medaillenlosen Sommerspielen der vergangenen Jahre allerdings klar. «Wenn wir mit Medaillen nach Hause fahren, rücken wir den deutschen Schwimmsport wieder in etwas besseres Licht», sagt Florian Wellbrock. «Das wäre ein schöner Nebeneffekt.»

Von Thomas Eßer und Christian Kunz, dpa