Goldkandidat Florian Wellbrock eilte durch die Katakomben des Tokyo Aquatics Centre. Nach seinem souveränen Vorlauf-Auftritt über seine Lieblingsstrecke startete der Doppel-Weltmeister umgehend den Countdown für das Endlaufspektakel, bat daher um «nur drei Fragen».
Einen Tag nach dem ärgerlichen vierten Rang über 800 Meter Freistil sicherte sich der 23-Jährige als Vorlaufdritter über 1500 Meter eine der begehrten Mittelbahnen für den finalen Wettkampftag der Beckenschwimmer am Sonntag. «Ich bin zufrieden», lautete der Kernsatz des nur rund einminütigen Statements des Weltjahresbesten. «Es bleibt spannend.»
Am Tag vor dem Finale von Bronzemedaillengewinnerin Sarah Köhler über 800 Meter Freistil lief der Vorlauf in Tokio für deren Verlobten «eigentlich so, wie wir das geplant hatten». Die deutschen Beckenschwimmer dürfen dank Wellbrock nach der von Köhler beendeten Medaillentristesse mit einem goldenen Olympia-Abschluss liebäugeln. Aber die Konkurrenz um Olympiasieger Gregorio Paltrinieri ist groß.
Deutsches Team mit Licht und Schatten
Wellbrock triumphierte bei der WM 2019 in Südkorea als Erster im Becken und über zehn Kilometer im Freiwasser. Ein solcher Coup bei Olympia, wo in der nächsten Woche im Meer geschwommen wird, hätte eine weitaus größere Dimension. Britta Steffen bejubelte vor 13 Jahren in Peking als Doppel-Olympiasiegerin das letzte deutsche Schwimmer-Gold. Bei den Herren wartet der Deutsche Schwimm-Verband seit Michael Groß vor 33 Jahren auf den Klang der Hymne bei einer olympischen Siegerehrung. Damals gewann auch Uwe Daßler Gold für die DDR. Und jetzt?
Mit einer Bronzemedaille und in einer Woche acht erreichten Finalplätzen geht das bei den Nullnummern in London und Rio so schwer geschlagene Beckenteam in das Schlusswochenende. Bronze durch Köhler über 1500 Meter Freistil sowie zwei vierte Plätze durch Wellbrock über 800 und Henning Mühlleitner über 400 Meter Freistil sorgen für ein besseres Ergebnis als 2016, als es drei sechste Plätze bei sieben Final-Teilnahmen gab. Allerdings gab es auch diesmal in Tokio in der Breite reichlich Enttäuschungen.
Wellbrock, der von Bundestrainer Bernd Berkhahn für einen zu zögerlichen Rennverlauf über 800 Meter und letztlich Rang vier gerügt worden war, setzte sich über 1500 Meter zeitig an die Spitze seines Vorlaufs. Genaustens beobachtet von Berkhahn wenige Meter vom Becken entfernt mit der Stoppuhr in der Hand kontrollierte Wellbrock sein Rennen. In 14:48,53 Minuten gewann er dieses, im folgenden Lauf waren der Ukrainer Michailo Romantschuk und der amerikanische 800-Meter-Olympiasieger Robert Finke schneller.
Wellbrock war auch am Freitag wegen der 800 Meter noch «ein bisschen im Zwiespalt», wie er einräumte. «Von der Zeit her war das in Ordnung, aber es hat halt nicht für diese Medaille gereicht. Haken drunter, weiter geht’s.» Im Idealfall für ihn mit Gold am Sonntag in der Disziplin, in der ihm der Triumph am meisten bedeuten würde.
Lagen-Staffeln ausgeschieden
Dann sind die Lagen-Staffeln nicht mehr dabei. Über 4 x 100 Meter schieden sowohl die Frauen als auch die Männer aus. Die insgesamt sieben deutschen Staffeln wussten in Tokio keinesfalls zu überzeugen.
Das glückte aber der Magdeburger Gruppe um Wellbrock, Köhler und die erfrischenden Olympia-Debütanten Isabel Gose und Lukas Märtens. Langjährige Leistungsträger wie Marco Koch, Philip Heintz und Franziska Hentke blieben beim Olympia-Abschied dagegen zum Teil weit hinter den mit ihnen verbundenen Hoffnungen zurück. Auf den Punkt in Bestform waren bei weitem nicht alle Athleten.
Bei 30 Starts in Einzelrennen gab es sieben persönliche Bestzeiten, der erst 19-jährigen Gose glückte das sowohl über 400 als auch über 800 Meter Freistil gleich zweimal. Ihrem gleichaltrigen Freund Märtens gelang auch eine Bestzeit, nicht aber am Freitag im Vorlauf über 1500 Meter. Dort war auf Rang elf Endstation.
International geben bei den ersten Spielen seit 1996 ohne Superstar Michael Phelps die USA und Australien mit der zweimaligen Olympiasiegerin Ariarne Titmus wie erwartet das Tempo vor. Wie Titmus jubelte auch Russlands Rückenschwimmer Jewgeni Rylow über zweimal Gold. Der von ihm über 200 Meter besiegte Amerikaner Ryan Murphy ließ mit Blick auf Russlands Doping-Vergangenheit Zweifel an der sportlichen Chancengleichheit in dem Rennen anklingen. «Wenn mir so eine Frage gestellt wird, habe ich ungefähr 15 Gedanken», sagte der dreimalige Olympiasieger. «13 davon würden mich in große Schwierigkeiten bringen.»
Für den ersten Einzelrekord der Becken-Wettbewerbe sorgte Tatjana Schoenmaker. Die Südafrikanerin weinte nach dem Fabelrennen über 200 Meter Brust in der Nacht zum Freitag in 2:18,95 Minuten vor Glück. Gibt’s am Wochenende auch deutsche Freudentränen?