Florian Wellbrock nahm sich die Schwimmkappe vom Kopf, atmete ein paar Mal durch und gratulierte dann fair dem Olympiasieger.
Der Doppel-Weltmeister hat in Tokio die Bronzemedaille über 1500 Meter Freistil gewonnen. In einem packenden Rennen musste sich der Goldfavorit nach langer Führung dem 800-Meter-Olympiasieger Robert Finke aus den USA und Vize-Weltmeister Michailo Romantschuk aus der Ukraine geschlagen geben. Zu Gold fehlten 1,26 Sekunden.
«Riesen Stein vom Herzen gefallen»
«Mir ist natürlich ein riesen Stein vom Herzen gefallen – keine Frage», sagte Wellbrock. «Gegen einen US-Amerikaner und Romantschuk zu verlieren, ist auf jeden Fall keine Schande.» Wenige Minuten nach seinem Rennen sprach Wellbrock davon, «eigentlich sehr, sehr zufrieden» zu sein.
Zufrieden wirkte er in den Katakomben im Tokyo Aquatics Centre auch. Riesige Euphorie strahlte der 23-Jährige, der in Japan noch eine Goldchance hat, aber nicht aus. «Ein bisschen ärgerlich, dass ich es hinten raus nicht halten konnte. Aber die anderen beiden Jungs haben einen super Job gemacht und ich möchte jetzt auf gar keinen Fall bei einer Bronzemedaille bei Olympischen Spielen meckern», sagte er. Mit Bezug zum im Schlussspurt beeindruckenden Finke, der schon drei Tage zuvor in ähnlicher Manier triumphiert hatte, meinte Wellbrock, man fühle sich «zum Schluss ein bisschen machtlos, wenn man sieht, dass er nochmal richtig explodiert.»
Gold bleibt weiter verwehrt
Nach dem Europameistertitel 2018 und dem Erfolg bei der WM vor zwei Jahren blieb Wellbrock die ganz große olympische Krönung mit Gold verwehrt. Bronze hat trotzdem eine große Bedeutung. «Seit 21 Jahren hat er die erste olympische Medaille für Männer bei den Beckenschwimmern geholt und daher ist die Leistung über 1500 Freistil nicht hoch genug zu bewerten», sagte Weltrekordler Paul Biedermann auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
«Nicht ohne Grund hat das so lange gedauert, bis deutsche Schwimmer Olympiamedaillen geholt haben. Jetzt haben wir zwei», sagte Wellbrock im ZDF zu den zwei Bronzemedaillen von ihm und seiner Verlobten Sarah Köhler, die auf der Tribüne mitfieberte. Wellbrock schlug nach 14:40,91 Minuten an und blieb damit rund vier Sekunden über seiner Weltjahresbestzeit.
Vor dem gebürtigen Bremer, der in Magdeburg bei Bundestrainer Bernd Berkhahn trainiert, hatte Rückenschwimmer Stev Theloke im Jahr 2000 als letzter deutscher Mann mit Bronze über 100 Meter eine olympische Medaille in einer Einzel-Disziplin im Becken bejubelt. Bei den Herren wartet der Deutsche Schwimm-Verband seit Michael Groß vor 33 Jahren auf eine Goldmedaille. Damals gewann auch Uwe Daßler Gold für die DDR.
Weitere Goldchance im Freiwasser
Platz vier über 800 Meter Freistil hatte Wellbrock trotz guter Zeit gewurmt. Über seine Paradestrecke schlug er zurück. Das war ihm noch besser bei der WM 2019 geglückt, als er über 800 Meter sogar im Vorlauf ausgeschieden war. Wellbrock siegte in Gwangju als Erster im Becken und über zehn Kilometer im Freiwasser. In Tokio kann er in der nächsten Woche im Meer noch Gold über zehn Kilometer holen. «Eine Feier ist nicht drin. Ich muss jetzt regenerieren für die zehn Kilometer. Das wird anstrengend genug», sagte Wellbrock.
Nach Bronze durch Köhler über 1500 Meter Freistil gelang Wellbrock ein glanzvoller Schlusspunkt der Beckenschwimm-Woche mit Siegerehrung. Anders als 2012 und 2016 durfte sich der Deutsche Schwimm-Verband wieder über olympische Ehren freuen, doch in der japanischen Hauptstadt gab es auch viele Enttäuschungen. In der Bronze-Freude um Wellbrock war das allerdings erstmal kein Thema.
Vor dem Auftritt von Wellbrock & Co. über die längste Distanz wurde der Topsprinter gekürt. Bei den Herren gewann Caeleb Dressel aus den USA über 50 Meter Freistil in olympischer Rekordzeit von 21,07 Sekunden. Bei den Frauen siegte 100-Meter-Champion Emma McKeon aus Australien über dieselbe Distanz ebenfalls mit einer olympischen Bestzeit in 23,81 Sekunden.
Im letzten Rennen der Beckenschwimm-Wettbewerbe jubelte Dressel erneut und feierte seine fünfte Goldmedaille von Tokio. Mit der Lagen-Staffel siegte er über 4 x 100 Meter in Weltrekordzeit von 3:26,78 Minuten. Bei den Frauen gewannen die Australierinnen über 4 x 100 Meter Lagen in 3:51,60 Minuten und olympischem Rekord. Deutsche Staffeln hatten sich nicht für die Endläufe qualifiziert.