Hoffen auf deutsche Marathon-Medaille: «Wird ja mal Zeit»

In der Olympia-Satellitenstadt Sapporo wollen die deutschen Marathonläufer um Melat Kejeta und Amanal Petros nur zu gerne die Auftritte ihres Sportlerlebens hinlegen.

Die Wege, die die gebürtige Äthiopierin und der gebürtige Eritreer bis zum Mega-Event in Japan hingelegt haben, waren so beschwerlich, dass sie für mehrere Leben reichen würden. Kejeta, Zweite bei der Halbmarathon-WM 2020, steht am Samstag (0.00 Uhr/MESZ) unter besonderer Beobachtung, der deutsche Marathon-Rekordhalter Petros am Sonntag (0.00 Uhr/MESZ), wenn die letzten Leichtathletik-Medaillen vergeben werden.

Gold bei den Frauen wird eine Sache für die Kenianerinnen um Weltrekordlerin Brigid Kosgei sein. Dahinter könnte aber schon Kejeta für eine Riesenüberraschung sorgen. «Mein größtes Ziel ist es, eine Medaille für Deutschland nach Hause zu bringen», sagte Kejeta, die in ihrer Karriere 2019 in Berlin erst einen einzigen Marathon gelaufen ist.

Kejeta setzt sich 2013 ab

Kejeta gehört zur Volksgruppe der Oromo, die in ihrer alten Heimat Äthiopien verfolgt wird. Nach einem Wettkampf in Italien 2013 setzte sie sich ab und landete schließlich in Kassel. Dort hat die 28-Jährige eine neue Heimat gefunden. Deborah Schöneborn (Berlin) und Katharina Steinruck (Frankfurt), die Tochter von Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig, komplettieren das deutsche Frauen-Team.

33 Jahre nach ihrem historischen Bronze-Marathon in Seoul hofft Dörre-Heinig auf eine Medaille der Deutschen. «Es wird ja mal Zeit», sagte sie lachend der Deutschen Presse-Agentur. Dörre-Heinig hat 1988 als bislang einzige Deutsche eine Olympia-Medaille im Marathon gewonnen. «Ich hoffe auf sehr gute Ergebnisse», sagte die 59-Jährige.

Die Geher- und Marathon-Medaillenkämpfe wurden aus klimatischen Gründen nach Sapporo verlegt, wo normalerweise die Luftfeuchtigkeit und auch die Temperaturen niedriger sind als in Tokio. Auf der Insel Hokkaido gilt das aber momentan nicht. «Meisterschaftsrennen haben ihre eigenen Gesetze. Die Bedingungen sind sehr schwierig», sagte Dörre-Heinig, die sich mit ihrer Mannschaft in einem Trainingslager in Shibetsu nördlich von Sapporo vorbereitet hat. Es brauche sich aber «keiner zu verstecken», meinte sie über den Leistungsstand ihrer Marathongruppe.

Trio bei den Männern

Auch die Männer stellen in Petros, Hendrik Pfeiffer (beide Wattenscheid) und Richard Ringer (Rehlingen) ein Trio. Ihre Voraussetzungen sind unterschiedlich. Pfeiffer hatte sich Ende März mit dem Coronavirus infiziert. «Wenn ich eine Kiste Wasser hochhob, musste ich mich danach erst mal hinlegen», erzählte er. Vier Wochen habe es gedauert, bis er wieder mit ganz lockerem Laufen anfangen konnte. Nach diesem Tief hofft er für Sapporo auf sein Hoch.

Petros hat den deutschen Rekord inne (2:07:18 Stunden). Der 26-Jährige war Anfang Juni bereits im Trainingslager in Kenia, musste aber nach einem Sturz und einer Blessur am Sprunggelenk für Behandlungen zwischenzeitlich nach Deutschland zurück. «Nachdem ich mich im Juni noch gefragt habe, ob ich überhaupt an den Start gehen kann, habe ich jetzt doch ein gutes Niveau erreicht», sagte Petros, der sich mit Platz zehn bis 20 ein ambitioniertes Ziel gesetzt hat.

Petros sorgt sich um seine Familie

Eine Belastung war die Situation um seine Familie. Petros ist in Eritrea geboren, aber in Äthiopien aufgewachsen, im Januar 2012 kam er als Flüchtling aus Tigray nach Deutschland. Tigray ist eine Konfliktregion, in der es Tausende Tote gegeben hat. Petros, den Freunde gerne «Aman» rufen, sorgte sich um seine Mutter und die beiden jüngeren Schwestern. «Das ist brutal hart», sagte er der Deutschen Presse-Agentur einmal über die emotionale Belastung.

Den sportlichen Wettstreit der Männer überstrahlt Eliud Kipchoge, der Weltrekordler und Rio-Gewinner. In Sapporo könnte er ein weiteres Stück Laufsport-Geschichte schreiben. Denn nur zweimal gelang es Athleten, ihren Coup zu wiederholen: dem Äthiopier Abebe Bikila 1960 und 1964 sowie Waldemar Cierpinski für die damalige DDR 1976 und 1980.

Von Martin Moravec, Andreas Schirmer und Ulrike John, dpa