Mit einer blau-weißen Kühlbox in der Hand verließ die abgestürzte Medaillenhoffnung Christin Hussong schnell den Ort ihrer bitteren Enttäuschung.
Die Weltranglistenzweite im Speerwerfen schaffte es bei den Olympischen Spielen in Tokio nicht mal in den Endkampf des Finales. Statt mit glänzendem Schmuck um den Hals zu posieren, musste sich die 27-Jährige mit einem dürftigen neunten Platz begnügen.
«Schlechtester Wettkampf des Jahres»
«Ich hab’s technisch überhaupt nicht auf die Reihe bekommen, das war der schlechteste Wettkampf des Jahres. Das ist sehr, sehr beschissen, wenn so etwas im Olympia-Finale passiert», räumte Hussong ein. Die Europameisterin war mit einer Bestleistung von 69,19 Metern angereist, im Finale brachte sie gerade einmal 59,94 zustande.
«Wenn man als Zweite der Welt mit 69 anreist ist es normal, dass man enttäuscht ist, wenn man als Neunte rausfliegt. Da muss man gar nicht darüber diskutieren», äußerte Hussong. Den Endkampf der Top acht wollte sie sich nicht mehr an Ort und Stelle antun. «Jetzt, in dem Moment, fehlt einem ein bisschen die Lust als Außenstehender dabeizusitzen und das anzuschauen», meinte sie.
Hussong ratlos
Hussong hätte die letzten Würfe als Anschauungsunterricht nutzen können. Liu Shiying aus China wurde mit 66,34 Metern Olympiasiegerin vor der Polin Maria Andrejczyk (64,61) und Weltmeisterin Kelsey-Lee Barber aus Australien (64,56). «Ich habe technische Fehler gemacht, die ich die ganze Saison nicht gemacht habe», befand Hussong.
Vater und Trainer Udo schüttelte auf der Tribüne irgendwann nur noch den Kopf. Seine Tochter vergoss im ersten, bitteren Moment Tränen. Alles Nachjustieren half einfach nichts. «Klar probiert man es, aber es hat nichts gebracht», meinte die ratlose Hussong aus Zweibrücken. «Keine Ahnung, ich muss es mal analysieren.»
Trost suchte sie anschließend bei ihrem Vater. «Ich bin ganz froh, dass Papa dabei ist und man mal Tochter und Vater sein kann», sagte Hussong, die schon in der Qualifikation hatte zittern müssen. Nur als elfte von zwölf Athletinnen überstand sie am vergangenen Dienstag die Ausscheidung. Ihre beste Weite: 61,68 Meter im zweiten Versuch. «Quali ist Quali, ich bin durch und es ist egal, was ich geworfen habe. Am Freitag kommt es darauf an», hatte Hussong danach gesagt und technische Probleme eingeräumt. Im Finale wurde es nicht besser.
«Momentan ist es natürlich sehr beschissen»
Ende Mai hatte Hussong bei der Team-EM in Polen mit 69,19 Metern noch brilliert. Danach stagnierte sie. Hussong legte daher im Juli noch einmal eine intensive Trainingsphase ein. «Ich war fit und im Training lief es gut, hier lief es gut, aber am Schluss zählt es im Wettkampf», sagte Hussong.
Eigentlich wollte sie aus einer Enttäuschung Antrieb gewinnen. 2019 bei der WM in Doha lag Hussong auf Medaillenkurs, wurde dann aber nur Vierte. «Diesmal will ich definitiv eine Medaille holen», hatte die in Herschberg in Rheinland-Pfalz lebende Speerwerferin gesagt. Daraus wurde aber nichts. 2024 in Paris kann sie einen neuen Anlauf nehmen. «Ich bin noch jung, habe noch einige Olympische Spiele vor mir», sagte Hussong, «aber momentan ist es natürlich sehr beschissen.»