Die Masken verdeckte vieles, nicht aber die tränennassen Augen. So waren die Olympioniken meistens bei den Siegerehrungen und Interviews in Tokio zu sehen.
Und doch bleiben den Fernsehzuschauern viele Gesichter, die für eine Geschichte stehen, in Erinnerung. Skurrile, tieftraurige, euphorische, verzweifelte und gerührte. Eine Galerie der Deutschen Presse-Agentur:
Simone Biles: Die versteinerte Miene der amerikanischen Superturnerin beim Mehrkampf brachte die Sportwelt zum Nachdenken und Diskutieren: Rückzug aus mentalen Gründe. Die 24-Jährige kehrte nur an den Schwebebalken zurück und holte dort Bronze. «Danke an alle für die unendliche Liebe und Unterstützung», schrieb sie später.
Malaika Mihambo: Zwischen Lachen und Weinen – die Weitspringerin wusste nach dem Zitterspiel nicht, wohin mit ihren Gefühlen. Ein letzter Satz auf 7,00 Meter, das reichte für Gold. Die 27-Jährige zeigte mal wieder ihre ganze Nervenstärke. Und kann nun zum dritten Mal in Serie Deutschlands «Sportlerin des Jahres werden».
Dimitrij Ovtcharov: Alle fieberten mit dem Tischtennisprofi – und bewunderten ihn. Nach dem epischen Halbfinal-Duell gegen Chinas Ma Long («Der Außerirdische») suchte der Verlierer Trost im Telefonat mit Ehefrau Jenny und Vater Mikhail. Bronze später im Einzel und Silber mit der Mannschaft versöhnten den 32-Jährigen.
Karsten Warholm: Augen und Mund weit aufgerissen, die Hände an die Schläfen gepresst. Die Mimik des 25 Jahre alten Norwegers nach seinem Fabel-Weltrekord über 400 Meter Hürden mit 45,94 Sekunden weckte mal wieder Erinnerungen: an das weltberühmte Bild seines Landsmanns Edvard Munch – «Der Schrei».
Patrick Hausding: Stolzer Fahnenträger des deutschen Teams gemeinsam mit Beachvolleyballerin Laura Ludwig bei der Eröffnungsfeier. Dann Bronze im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett mit Lars Rüdiger an und ein bitteres Ende mit dem Vorkampf-Aus vom Drei-Meter-Brett. Der 32 Jahre alte Wasserspringer erlebte bewegende Abschiedsspiele.
Florian Wellbrock: Emotionen sind selten aus seinem Gesicht herauszulesen. Der 23-jährige ist kein Grimassenschneider, eher ein Pokerface – und konzentriert sich auf das Wesentliche. Über 1500 Meter Freistil Bronze, dann der coole Gold-Coup über zehn Kilometer Freiwasser. Einen Schwimmstar hatte Deutschland lange nicht mehr.
Kristina Timanowskaja: Das Politikum der Spiele. Die belarussische Leichtathletin sollte nach eigenen Angaben gegen ihren Willen in ihr Heimatland zurückgebracht werden, das von Präsident Alexander Lukaschenko autoritär regiert wird. Nun steht der 24-Jährigen nach ihrer Flucht in die EU eine Sportkarriere in Polen offen.
Lilly Stoephasius: Keine Schulveranstaltung, aber jede Menge Teenies im Urban Sports Park von Tokio – und mittendrin die jüngste des deutschen Teams. Die 14-jährige Berlinerin stürzte zwar bei der Olympia-Premiere der Skater, durfte aber stolz auf ihren neunten Platz sein und konnte schnell wieder ihr breites Lächeln zeigen.
Simon Geschke: Der Unsichtbare, weggesperrt im Quarantäne-Hotel nach einem positivem Corona-Test trotz Impfung. Und trotzdem stand sein Bild neben unzähligen Schlagzeilen. Der 35 Jahre alte Radprofi erlebte die Spiele als Albtraum. «Die nutzloseste Reise meiner Karriere», sagte er nach seiner Rückkehr nach Deutschland.
Thomas Bach: Der Maskenmann. Einst als Fechter, jetzt als IOC-Präsident mit Mund-Nasen-Schutz. Der 67 Jahre alte Würzburger hat die Spiele durchgepeitscht – gegen Bedenken aus aller Welt. Ein Wagnis mit 11.000 Olympioniken. Tokio hat seiner Ansicht nach «eine Botschaft der Hoffnung, der Solidarität und des Friedens» gesendet.
Raven Saunders: Die Kugelstoßerin mit der Gruselmaske von «The Hulk». Grün-weiße Haut, rotes Zahnfleisch, weiße Beißer: Der Mund-Nasen-Schutz von Kugelstoßerin Raven Saunders zog die Blicke auf sich. Die 25-jährige US-Amerikanerin hatte auch noch grün-pink gefärbte kurzen Haare. Silber ist die Farbe ihrer Medaille.
Jessica von Bredow-Werndl: Die einzige deutsche Olympia-Teilnehmerin mit zweimal Gold. Die Dressur-Reiterin aus dem bayerischen Tuntenhausen übertrumpfte sogar Isabell Wert – und zeigte Größe. «Ich schaue immer noch zu ihr hinauf und bewundere sie», sagte die 35-Jährige nach der Wachablösung.
Alexander Zverev: Der Tennisprofi war nie Everybody’s Darling – und spielte sich nun in die Herzen der Sportfans. «Die Goldmedaille bedeutet mir die Welt», sagte der 24-jährige Hamburger ungewohnt gerührt. Der erste deutsche Olympiasieger im Herren-Einzel genoss anschließend die Ehrungstour in der Heimat.
Annika Schleu: Schluchzend im Sattel – der Ritt der 31 Jahre alten Modernen Fünfkämpferin mit ihrem zugelosten Pferd Saint Boy geriet zum Sport-Drama. Mit Folgen: Tierschützer protestierten, das Regelwerk geriet ebenso in die Kritik wie Bundestrainerin Kim Raisner, die von den Spielen ausgeschlossen wurde.
Caeleb Dressel: Mit fünf Gold-Medaillen reihte sich der Amerikaner ein in die Garde der Superschwimmer Michael Phelps, Mark Spitz, Kristin Otto und Matt Biondi. Aber selbst für den 24-jährigen hatte nicht jede Morgenstund‘ Gold im Mund: «Manchmal war es ein ‚Oh, das wird heute scheiße.» Lief dann aber doch ganz gut.
Ronald Rauhe: Tränenreich und mit Gold dekoriert hat sich Deutschlands erfolgreichster Kanute von der Olympia-Bühne verabschiedet. «Ich hätte mir nichts anderes erträumen, erwünschen können. Das macht es mir heute leicht, meine Karriere zu beenden», sagte der 39-jährige nach dem Olympiasieg im Kajak-Vierer.