100 Punkte, 99 Tore und in der Tabelle als solider Achter wieder auf dem besten Weg in europäische Regionen: Max Kruse postete nach dem späten 1:0 (0:0) gegen Arminia Bielefeld ein paar drollige Bilder vom Fahrrad-Workout aus der Kabine und nannte sich selbst «eine Maschine».
Urs Fischer ließen das goldene Punktejubiläum und die höchstmögliche zweistellige Treffer-Schnapszahl erst erstaunt aufblicken und dann milde lächeln. Die Bilanz von Union Berlin nach insgesamt 74 Spielen in der Fußball-Bundesliga bringt den immer vorsichtigen Trainer der Eisernen nicht aus der Balance. Sein 1. FC Union ein unter den besten Teams etablierter Fußball-Club? Kruse hätte nichts dagegen, der stoische Schweizer Fischer kann diese Frage aber schlicht nicht akzeptieren.
«Unser Ziel ist der Klassenerhalt»
«Den Anspruch zu erheben, uns im vorderen Drittel zu bewegen, wäre Schwachsinn. Unser Ziel ist der Klassenerhalt. Das gilt auch für diese Spielzeit», meinte Fischer nach dem Last-Minute-Sieg gegen ziemlich brave Bielefelder. Irgendwann nutzt sich Understatement aber auch ab. Auf jeden Fall nach mittlerweile 20 Heimspielen in Serie ohne Niederlage. Und saisonübergreifend 35 Bundesliga-Spieltagen nacheinander, in denen Union mit einer Ausnahme immer in der oberen Tabellenhälfte stand – und selbstredend nie auf einem Abstiegsplatz.
Im Westen der Hauptstadt müssen sie Fischers Worte schon wie Hohn empfinden. Dessen chronisch übertriebene Sorge um den Ligaerhalt hätten sie bei der von einer Dauerkrise geplagten Hertha nur zu gerne. Fischers reale Welt ist eine andere als das Hertha-Grau. Er bereitet sein Team auf das erste Heimspiel in der Gruppenphase der europäischen Conference League vor.
Am Donnerstag ist ausgerechnet in Herthas Heimstätte, dem Olympiastadion, Maccabi Haifa zu Gast. Da Union mittlerweile schon eine unnötige Niederlage bei Slavia Prag (1:3) wurmt, macht Fischer den Anspruch vor dem Duell mit den Israelis klar. «Wir wollen auf die Tabelle kommen, nicht nur mit dem Namen, sondern mit Punkten.»
Sorgen bei der Abwehr
Eine Parallele mit der Hertha hat Fischer doch. Nämlich Abwehrsorgen. Timo Baumgartl fällt nach seinem Knockout gegen Bielefeld mit einer schweren Gehirnerschütterung aus. Der erste Ersatzmann Paul Jaeckel ist nach seiner Gelb-Roten-Karte in Prag gegen Haifa gesperrt. «Ich habe das noch nicht im Kopf, was am Donnerstag sein wird», sagte Fischer und zeigte kurz seine oft versteckte Seite des Müßiggangs. «Es ist ganz wichtig, dass wir das genießen, das gehört auch dazu», sagte der 55-Jährige über die drei «ganz wichtigen» Punkte.
Der Sieg durch den «Lucky Punch» von Kevin Behrens, der sein Bundesliga-Premierentor für Union in der 88. Minute «einfach geil» fand, sei nach zwei Niederlagen eben wichtig gewesen, «dass wieder Zuversicht reinkommt», meinte Fischer. Bröckelte da also die Abwehrhaltung gegen höhere Ansprüche? Nein. «Es hat nichts mit sich wehren zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand», sagte Fischer.