Rekord eines 18-Jährigen – Wirtz trägt das Bayer-Kreuz

Mit leuchtenden Augen und einem verschmitzten Lächeln klatschte Florian Wirtz die Hände hunderter glückseliger Fans von Bayer Leverkusen ab.

Das Bad in der Menge war der Lohn für die Rekordvorstellung eines bemerkenswerten jungen Mannes, der in der Frühphase dieser Bundesliga-Saison das Bayer-Kreuz scheinbar alleine schultert und Fußball-Deutschland ein ums andere Mal erstaunt. «Ein geiler Zocker. Wahrscheinlich macht er jede Woche eine Geschichte. Er macht das überragend, auch in der Kabine», sagte Bayer-Kapitän Lukas Hradecky über den deutschen Jung-Nationalspieler.

Der in Pulheim bei Köln geborene Offensivspieler verewigte sich mit dem Siegtor in der 62. Minute zum 1:0 (0:0) der Leverkusener gegen den FSV Mainz 05 in den Bundesliga-Annalen. Es war sein zehntes Tor im Oberhaus. Mit 18 Jahren und 145 Tagen ist Wirtz nun der jüngste Spieler, dem dies gelang. Den Rekord hielt zuvor Weltmeister Lukas Podolski, der sein zehntes Tor im Alter von 18 Jahren und 353 Tagen 2004 für Wirtz‘ Ex-Club 1. FC Köln erzielte.

«Was für ein Talent, was für ein Spieler»

Mannschaftskollegen, der neue Trainer Gerardo Seoane und Beobachter lobten Florian Wirtz nicht nur wegen seines Rekord-Tores zum Teil in höchsten Tönen. «Was für ein Talent, was für ein Spieler. Wie er diese Mannschaft bereits in jungen Jahren führt und mitträgt. Unabhängig von seiner spielerischen Klasse ist das die wirkliche Klasse – dass du mit 18 Jahren Verantwortung übernimmst und wichtige Tore erzielst», sagte Sky-Experte Didi Hammann, einst Champions-League-Sieger mit Liverpool und deutscher Meister mit dem FC Bayern. Bayer Leverkusen ist nun erster Bayern-Jäger, nicht zuletzt dank der bisher acht Saison-Scorerpunkte des Matchwinners.

Florian Wirtz trat gegen Mainz auf wie ein Stratege, schien in der ersten Halbzeit vor 16.624 Zuschauern den Gegner, der Leverkusen in einer 5-3-2-Formation enorme Probleme bereitete, quasi zu lesen, nahm nur einmal mit einem Distanzschuss Maß. Sein gesammeltes Wissen und der Schwung seiner Mitspieler ließen den Ausnahmekicker in der zweiten Halbzeit dann zur dominanten Figur auf dem Feld werden. Das Tor war in der Entstehung ein Genuss. Wirtz spielte Doppelpass mit dem bärenstarken Jeremy Frimpong, der den Ball dann noch einmal zu Wirtz zurücklegte. Der schlug einen Haken und erwischte mit rechts den scheinbar einzig möglichen Schusskorridor durch Gegner-Beine hindurch in die lange Ecke.

Werksclub will Wirtz vor dem Hype schützen

«Er ist erst 18 Jahre alt. Die Zukunft für ihn erscheint strahlend», sagte Frimpong, selbst erst 20 Jahre alt. Der eher analytische Trainer Seoane verstieg sich bewusst nicht in Elogen. «Er ist klar im Kopf, trifft sehr gute Entscheidungen, hat Entschlossenheit im Abschluss und behält die Übersicht. Das sind tolle Qualitäten», sagte der neue Bayer-Coach und ergänzte: «Bei ihm finde ich herausragend, dass er wie die Mannschaft in der zweiten Halbzeit eine Leistungssteigerung zeigen konnte.»

Als die Lob-Gesänge einsetzten, war Florian Wirtz bereits in den Katakomben der BayArena verschwunden, Kameratermine mit ihm gab es nicht. Der Werksclub versucht, den Spieler vor dem Hype zu schützen. Die Basis dafür bietet das Team, in das Wirtz bestes eingebettet ist. «Wichtig ist nur, dass er für uns weiter arbeitet, er ist für uns ein eminent wichtiger Spieler. Er bricht die Rekorde Woche für Woche. Ich hoffe, dass er auch der älteste mit 200 Toren wird», sagte Torhüter Hradecky, der den Rekordtag von Wirtz mit einer Glanzparade gegen den eingewechselten Mainzer Marcus Ingvartsen in der 89. Minute rettete.

Von Ulf Zimmermann, dpa