Achillessehnenriss statt Titel: Rapinoe leidet zum Abschied

Bier auf der Pressekonferenz hatte sich Fußball-Star Megan Rapinoe nach dem letzten Spiel ihrer Karriere womöglich noch vorgestellt. Ganz sicher nicht aber: einen orthopädischen Stützschuh wegen einer schweren Verletzung und somit gute Gründe für Flüche und Galgenhumor.

Keine drei Minuten hatte sie beim 1:2 (1:2) im Finale um den Titel in der National Women’s Soccer League (NWSL) zwischen ihren OL Reign und Gotham FC auf dem Platz gestanden – dann beendete eine kurze Bewegung ihre so beeindruckende Laufbahn.

«Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir die Achillessehne gerissen habe», sagte Rapinoe, ehe sie am Samstagabend (Ortszeit) in San Diego einen großen Schluck aus einer riesigen Büchse Bud Light nahm. «Es ist enttäuschend, dass es so endet. Sieg oder Niederlage, du willst dein letztes Spiel spielen.»

Rapinoe: «Das habe ich nicht verdient»

Statt erstmals in ihrer Karriere die US-Meisterschaft zu gewinnen und sich mit dem noch fehlenden Titel zu verabschieden, hat die 38-Jährige mit den pinkfarbenen Haaren nun aller Wahrscheinlichkeit nach eine Operation und eine monatelange Reha vor sich. Eine Kernspintomografie müsse noch gemacht werden, sagte die Olympiasiegerin nach einem am Ende dramatischen Spiel. «Das habe ich nicht verdient, ich bin ein besserer Mensch. Das hier fühlt sich anders an, als ein verschossener Elfmeter in Neuseeland», sagte Rapinoe.

Im Sommer bei der WM vergab sie im Achtelfinale im Elfmeterschießen gegen Schweden, die USA schieden aus und statt mit dem dritten WM-Gold in Serie die Heimreise anzutreten, endete ihre internationale Laufbahn frühzeitig und mit einer Enttäuschung. Nun blieb der aus dem Norden Kaliforniens stammenden Gleichberechtigungsikone auch ein passender Abschied in ihrer Heimat verwehrt. «Du bekommst nicht immer ein perfektes Ende. Ich hatte so viele perfekte Enden in meiner Karriere, das beste 2019», sagte sie und verwies auf den WM-Sieg in Frankreich, als sie sich parallel mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump angelegt hatte und weltweit zu einer Führungsfigur für Gleichberechtigung wurde.

Auch deswegen wirkten viele der mehr als 20.000 Zuschauer in San Diego minutenlang geschockt und traurig, als Rapinoe gestützt von zwei Betreuern vom Platz humpelte. Als zweimalige Weltmeisterin, Olympiasiegerin, Olympia-Dritte und Gewinnerin der Wahl zur Weltfußballerin hat sie sportlich große Spuren hinterlassen im US-Fußball. Noch bedeutender aber war ihr Einfluss als Aktivistin, die sich unter anderem für die Rechte von homosexuellen Menschen und anderen Minderheiten einsetzte. Zusammen mit Ali Krieger, die im Trikot von Gotham FC in ihrem ebenfalls letzten Karrierespiel als Kapitänin die Trophäe für die erste Meisterschaft in die Luft recken durfte, zählt Rapinoe auch zu jener Generation US-Fußballerinnen, die sich mit dem Verband im Kampf um gleiche Bezahlung anlegte und dafür sogar vor Gericht zog.

Eine große Karriere geht zuende

«Natürlich bin ich stolz auf meine Karriere und was ich auf dem Platz erreicht habe», sagte Rapinoe schon vor dem Playoff-Finale und betonte das auch nach dem bitteren Ende ein weiteres Mal. «Aber ich bin sehr stolz auf all das, was ich abseits des Platzes erreicht habe und wie meine Karriere Leute beeinflusst hat, sie herausgefordert und ihnen eine Gelegenheit gegeben hat, sich selbst zu sehen.» Rapinoe ist lesbisch und mit der Basketballerin Sue Bird verlobt.

Wie stark sich der Frauenfußball während Rapinoes Karriere entwickelt hat, machten die vor dem Finale veröffentlichten Zahlen und Verträge der National Women’s Soccer League deutlich. Für die kommenden vier Jahren kassiert die Liga 240 Millionen US-Dollar für die TV-Rechte, Spiele sind auch im landesweiten Fernsehen zu sehen und nicht mehr vorrangig über Streaming-Anbieter. Allein in dieser Saison sind die Zuschauerzahlen ligaweit um 36 Prozent geklettert.

Einen großen Anteil daran haben die noch jungen Teams San Diego Wave und Angel City FC aus Los Angeles. Den Rekord für das am besten besuchte NWSL-Spiel der Geschichte aber stellte Rapinoe, die als eine von nur fünf Spielerinnen seit Gründung der Liga noch immer für die gleiche Mannschaft spielte, auf: Zu ihrem letzten Hauptrunden-Heimspiel in Seattle kamen 34.130 Fans. Zu diesem Zeitpunkt war noch gar nicht klar, ob OL Reign es überhaupt in die Playoffs schaffen würde. Es gelang – und dennoch blieb der Frau mit den meist gefärbten Haaren der triumphale Schlusspunkt verwehrt.

Von Maximilian Haupt, dpa