Achterbahn ins Achtelfinale: Zverev beweist mentale Stärke

Als Alexander Zverev bei 1:4 im fünften Satz auf der Bank über sein drohendes Aus bei den French Open sinnierte, stand die Lösung deutlich sichtbar auf dem Oberrang im Court Philippe Chatrier. Dort ist das Motto des französischen Luftfahrtpioniers Roland Garros verewigt: «Der Sieg gehört dem Hartnäckigsten.»

Unbeirrt und beharrlich stemmte sich der deutsche Tennisstar jedenfalls gegen das frühe Ende seiner Titelmission in Paris und zog in einer wahren Achterbahnfahrt ins Achtelfinale ein.

«Ich bin durch viel Scheiße gegangen in den letzten Jahren. Mit meinen Verletzungen, mit meinem Comeback, mit vielem Drum und Dran. Ich glaube trotzdem daran, dass das einen auch stärker machen kann», sagte der Hamburger nach seinem Happy End im Fünf-Satz-Krimi durch ein 3:6, 6:4, 6:2, 4:6, 7:6 (10:3) gegen den Niederländer Tallon Griekspoor.

Auch im Achtelfinale am Montag gegen den dänischen Tennisstar Holger Rune wird Zverev vor allem kämpfen müssen, denn sein dringlichster Wunsch dürfte unerfüllt bleiben: «23 Grad und Sonne.» Angesagt sind Wolken und Temperaturen um 17 Grad, der Wohlfühlfaktor hält sich beim Olympiasieger in Paris angesichts des nasskalten Wetters weiter in Grenzen. Für sein bestes Spiel braucht er mehr Wärme sowie schnellere und höher abspringende Bälle.

Emotionen unter Kontrolle

Doch aufregen will er sich über die schwierigen Bedingungen nicht. Seine sportlichen und privaten Rückschläge der Vergangenheit scheinen ihn mental gestärkt zu haben. «Du kannst entweder komplett runtergehen, oder du kannst zurückkommen und sagen: Ich bin durch all das gegangen, bin jetzt wieder hier und habe mir selbst die Chance erarbeitet, nochmal um solche Titel mitzuspielen», sagte Zverev.

Die schwere Fußverletzung im French-Open-Halbfinale 2022 gegen Rafael Nadal, der auf dramatische Weise geplatzte Traum vom Grand-Slam-Titel und der Nummer 1 im Welttennis, der mühsame Kampf zurück in die Weltspitze – all das hat den Hamburger geprägt. Auch sein schlimmer Ausraster in Acapulco vor zweieinhalb Jahren, als er mit dem Schläger mehrfach gegen den Stuhl des Schiedsrichters drosch, zählt dazu.

«Ich zertrümmere keine Schläger mehr, ich bekomme kaum noch Verwarnungen», sagte Zverev über seine augenscheinliche Wandlung und erklärte: «Ich habe mir selbst gesagt: Ich möchte ein anderer Typ Spieler werden, eine Art Vorbild.» So wie es die großen Tennis-Ikonen Roger Federer und Rafael Nadal sind, die nicht nur wegen ihrer Erfolge verehrt werden.

Zverev der letzte deutsche Profi in Paris

Gegen Griekspoor hatte er zwar auch seine Diskussionen mit der Stuhl-Schiedsrichterin, doch alles blieb im Rahmen. Er fand einen anderen Weg aus der Krise. Das Serve-and-Volley-Spiel des Niederländers, das ihn «anderthalb Sätze gekillt» habe, stoppte Zverev durch eine offensivere Return-Position. So holte er im fünften Satz ein Doppel-Break auf und bewies im Match-Tiebreak seine gewachsene mentale Stärke.

Die soll ihn nun nicht nur gegen Rune, den Ex-Schützling von Tennis-Ikone Boris Becker, helfen. Sondern auch zum lang ersehnten ersten Grand-Slam-Turniersieg führen. «Am Ende des Tages bin ich dafür hier», sagte Zverev: «Es ist kein Geheimnis, dass ich eins von diesen Dingern gewinnen will – und hoffentlich mehr als eins.»

Zverev ist der letzte verbliebene deutsche Tennisprofi im Turnier, nachdem Jan-Lennard Struff am Samstag sein von einer langen Regenunterbrechung begleitetes Drittrunden-Match gegen den Australier Alex De Minaur mit 6:4, 4:6, 3:6, 3:6 verlor.

Das Aus trübte auch die Vorfreude des großen BVB-Fans auf das Champions-League-Finale seines Lieblings-Fußballclubs Borussia Dortmund am Abend gegen Real Madrid. «Momentan habe ich gar keine Lust drauf», sagte Struff knapp eine Stunde vor dem Anpfiff. Nach der Niederlage des BVB dürfte sich Struffs Stimmung kaum gebessert haben.

Von Jörg Soldwisch, dpa