Nach seiner kräftezehrenden Nachtschicht beim Tennis-Turnier in Peking quälte sich Alexander Zverev um kurz vor drei Uhr noch durch das Sieger-Interview auf dem Platz. Sichtlich erschöpft und gesundheitlich leicht angeschlagen hatte der Olympiasieger nur einen Wunsch: «Um ehrlich zu sein: Ich bin nur noch müde und will ins Bett.» Er habe in den letzten Wochen «sehr viel Tennis gespielt, und ich fühle mich auch ein bisschen krank», sagte Zverev: «Ich muss mich ausruhen und erholen.»
Doppel verloren
Viel Zeit hatte er dafür nicht, denn schon am Sonntag stand Zverev im Doppel mit seinem brasilianischen Vertrauten Marcelo Melo wieder auf dem Platz. Das Duo verlor nach über zwei Stunden mit 6:7 (5:7), 6:4, 9:11 gegen Ivan Dodig aus Kroatien und Austin Krajicek aus den USA. Danach war für Zverev wieder Regeneration angesagt.
Bis zu seinem Viertelfinal-Match am Montag gegen Nicolas Jarry aus Chile will Zverev wieder einigermaßen zu Kräften kommen. Das Achtelfinale am Samstag gegen den Spanier Alejandro Davidovich Fokina war diesbezüglich höchst unglücklich verlaufen. Zum einen musste der Hamburger beim 6:7 (4:7), 6:2, 6:1 über drei Sätze gehen, zum anderen hatte das Duell in Peking erst gegen Mitternacht (Ortszeit) begonnen. Zverev kritisierte die Organisatoren für die späte Ansetzung. «Ich denke, wir hätten den Platz wechseln sollen», sagte der 26-Jährige: «Ich bin nicht sicher, ob wir bis nach Mitternacht warten sollten, um das Match zu beginnen, um ehrlich zu sein.»
Medizinischer Rat notwendig
Doch Zverev kämpfte gegen die Widrigkeiten an und ließ sich auch vom verlorenen und kurios verlaufenden ersten Satz nicht aus der Fassung bringen. Nachdem beide Kontrahenten jeweils dreimal ihr Aufschlagspiel verloren hatten, entschied Davidovich Fokina den Durchgang im Tiebreak für sich. Bei den Seitenwechseln beim Stande von 5:4 und 5:6 holte sich Zverev jeweils medizinischen Rat an die Bank. Schon bei seinem Erstrundensieg am Freitag gegen den Argentinier Diego Schwartzman hatte er sich nicht wohlgefühlt, dem Augenschein nach war ihm übel gewesen.
Der körperlich angeschlagene Zverev konnte sich aber vor fast leeren Zuschauertribünen erneut auf seine mentale Stärke verlassen. «Ich bin glücklich über den Sieg», sagte Deutschlands Nummer 1. In den Sätzen zwei und drei habe er zu seinem Spiel zurückgefunden. Der French-Open-Halbfinalist profitierte aber auch davon, dass sein Gegner körperlich mehr und mehr abbaute. Außerdem verletzte sich Davidovich Fokina leicht selbst, als ihm beim Versuch, einen Volley zu spielen, der Ball ins Auge sprang.
Nächster Schritt in Richtung Weltspitze?
Zverev nimmt in Peking seinen insgesamt 22. ATP-Turniersieg und seinen dritten in dieser Saison ins Visier. Zuletzt hatte er im chinesischen Chengdu triumphiert und dies nach seiner schweren Knöchelverletzung als weiteren Schritt Richtung absoluter Weltspitze gewertet. Doch in Peking ist die Konkurrenz deutlich stärker, in einem möglichen Halbfinale könnte es zum Duell mit dem an Nummer zwei gesetzten Daniil Medwedew kommen, mit dem sich Zverev in diesem Jahr schon viermal gemessen hat – dreimal mit dem besseren Ende für den Russen.
Doch so weit schaute Zverev nicht voraus. Nicht im Vollbesitz seiner Kräfte gilt sein voller Fokus zunächst dem Chilenen Jarry, der zum Auftakt immerhin den Weltranglisten-Fünften Stefanos Tsitsipas aus Griechenland in zwei Sätzen besiegt hatte. Zverev ist der letzte deutsche Profi beim ATP-500-Hartplatzturnier, nachdem Jan-Lennard Struff und Yannick Hanfmann in der ersten Runde ausgeschieden waren.