Als «Super Bowl des Handballs» hatten Spieler und Funktionäre das prickelnde Pokalwochenende im Kölner Hexenkessel angepriesen. Über 20 Kameras und 20.000 Fans pro Spiel sollen beim Finalturnier elektrisierende Bilder für rund 60 Länder produzieren und den deutschen Handball auf ein neues Level hieven.
Das mögliche Doping-Vergehen von Magdeburgs Torhüter Nikola Portner kommt daher zur Unzeit und überschattet die angekündigten Festtage. Die positive Wettkampfprobe des Schweizers, in der Methamphetamine gefunden worden waren, sowie seine vorläufige Suspendierung haben die Partien zwischen dem SCM und Bundesliga-Spitzenreiter Füchse Berlin sowie der SG Flensburg-Handewitt und den Herausforderern der MT Melsungen massiv in den Hintergrund gedrückt.
Die Elbestädter müssen ihrer Favoritenrolle nun ohne Portner, der ein wissentliches Fehlverhalten bestreitet, gerecht werden. Dem 30-Jährigen droht laut dem Nationalen Anti-Doping-Code eine Strafe von bis zu vier Jahren. Entscheidend ist hier, ob der Torhüter nachweisen kann, dass der Verstoß nicht absichtlich begangen wurde.
HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass es eine Telefonschalte mit Portner gegeben habe. Details wollte er nicht verraten. «Ja, es gab eine Anhörung. Wir werden uns jetzt im laufenden Verfahren mit Auskünften bedeckt halten.»
Kein gleichwertiger Ersatz für Portner
Die Vorzeichen für mitreißende Pokalspiele hätten kaum besser sein können. In Abwesenheit des zwölfmaligen Rekordgewinners THW Kiel wollen die Magdeburger ihren ersten Schritt in Richtung Triple gehen. Der Hauptstadt-Club kann seine herausragende Saison mit seinem zweiten Pokaltitel veredeln. Und die Vorfreude auf das Duell zwischen Flensburg und Melsungen ist nach dem packenden Bundesliga-Remis aus der Vorwoche ohnehin riesig.
Dass Magdeburg als Champions-League-Sieger die Schlagzeilen vor der Endrunde bestimmt, war abzusehen. Doch plötzlich liegt der öffentliche Fokus nicht mehr auf dem Sportlichen. Der Doping-Verdacht bringt Unruhe in die Mannschaft und gefährdet ihre ambitionierten Ziele im Saisonendspurt. Im Viertelfinale der Champions League müssen die Elbestädter Ende April beim polnischen Topclub KS Kielce ran. In der Liga hat der SCM beste Chancen auf den erneuten Meistertitel.
Portners Fehlen ist ein herber sportlicher Verlust. Mit rund 30 Prozent gehaltener Bälle ist der Schweizer ein wichtiger Rückhalt beim SCM. In Sergey Hernandez ist zwar ein weiterer Spitzenmann im Team, doch die Auftritte des Spaniers sind nicht ganz so konstant. An Hernandez‘ Seite steht ab sofort Mikael Aggefors. Die blitzschnelle Nachverpflichtung des 39 Jahre alten Schweden gab der SCM nun bekannt. Aggefors, der 2021 WM-Silber gewann, unterbricht dafür seinen Ruhestand. Eigentlich hatte der Skandinavier seine aktive Karriere im Sommer 2023 beendet, um Torwarttrainer in seiner Heimat zu werden.
Melsungens Torwart hat einen Wunsch
Schwieriger könnte die Aufgabe für Magdeburg im ersten Halbfinale am Samstag (16.10 Uhr/ARD und Dyn) nicht sein. Das Berliner Star-Ensemble um Welthandballer Mathias Gidsel spielt die wohl beste Saison seiner Vereinsgeschichte und will sich beim Erzrivalen für die Niederlage im März revanchieren. «Magdeburg ist das neue Kiel», hatte Geschäftsführer Bob Hanning gewarnt und den Gegner damit in die Favoritenrolle gedrängt. Auch Trainer Jaron Siewert sprach von der «ultimativen Herausforderung». Zu diesem Zeitpunkt rechneten beide noch mit Portners Einsatz.
Nun wittert die Konkurrenz ihre Chance. Auch die Handballer aus Melsungen, die als Außenseiter ins zweite Halbfinale (19.00 Uhr/Dyn) gegen den viermaligen Pokalsieger Flensburg gehen. «Beim Final Four muss nicht immer die bessere Mannschaft gewinnen, muss nicht immer der Favorit gewinnen», sagte MT-Torwart Nebojsa Simic und äußerte einen langgehegten Wunsch: «Einmal schlagen müssen wir Flensburg. Sieben Jahre bin ich nun in Melsungen und nicht einmal haben wir es geschafft».
Große Vorfreude auf den «Handball-Olymp»
Der Fall Portner soll die Vorfreude der Profis auf das Mega-Event nicht trüben. Der Nervenkitzel, im Mekka des Handballs aufzulaufen, ist groß. «Das ist ein ganz spezieller Ort für alle Handballer. Wenn du dort auf dem Feld stehen darfst, egal in welchem Wettbewerb, weißt du, du bist auf dem Handball-Olymp», befand SCM-Profi Matthias Musche.
Doch egal, wie hochklassig der Handball am Wochenende sein mag, die Doping-Debatte um Portner wird wie ein unsichtbarer Schleier durch die Kölner Arena schweben. Belastet der Wirbel die Magdeburger oder zeigt das Team eine Jetzt-Erst-Recht-Reaktion?