«Wie ich der wurde, der ich immer war» – macht neugierig, klingt paradox. Aber so lebt Balian Buschbaum heute, so wollte er immer sein. Und deshalb könnte er seine neue Welt in einem einzigen Satz kaum besser beschreiben als im Untertitel seines neuen Buchs.
Buschbaum gewann im Stabhochspringen zweimal Bronze bei Freiluft-Europameisterschaften und belegte bei Olympia 2000 in Sydney Platz sechs. 2007 kündigte er seine Geschlechtsanpassung an. Der 41-Jährige lebt inzwischen ein glückliches Leben als Mann.
Buch über Diversität geschieben
Dass gerade Buschbaum zum so aktuellen Thema Diversität besonders viel zu sagen hat, verwundert bei seiner Vita nicht. «Warum Diversity uns alle angeht» – so heißt sein erschienenes 379-Seiten-Werk.
Zuvor verfasste der frühere Leichtathlet schon «Blaue Augen bleiben blau»: Offen und mit feinsinnigem Humor erzählt Buschbaum da von seinen schweren Operationen, von der Hormontherapie, von Reaktionen seines Umfelds, von seinen persönlichen Höhen und Tiefen. Das zweite Buch «Frauen wollen reden, Männer Sex» ist eine witzige Analyse über alle Geschlechter und Grenzen hinweg.
Seit seiner Transition lebt Buschbaum ein selbstbestimmtes Leben, wie er immer wieder betont. «Damals hatte ich einen Weg vor mir, um die körperliche Veränderung anzugehen. Heute sage ich: Es ist ein Segen, dass ich das getan habe», so Buschbaum im dpa-Gespräch.
Buschbaum ist als Coach – auch im Leistungssport – und Vortragsredner unterwegs, veranstaltet Workshops zu Diversität und Change-Management. Er leistet Überzeugungsarbeit auch bei Verwaltungen und Unternehmen, hält Vorträge in Schulen, plädiert für Vielfalt in Arbeitswelten – und vor allem dafür, verkrustete Konstrukte und Glaubenssätze aufzubrechen und ein neues Bewusstsein zu vermitteln.
«Diversität ist notwendig, um zu überleben. Egal, ob es um größer, kleiner, dicker, dünner, eine andere sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität geht. Egal, was wir mitbringen: Es muss gelebt werden. Alles, was existiert, hat eine Daseinsberechtigung», erklärt Buschbaum.
Der gebürtige Ulmer lebt in Aschaffenburg, oft erzählt er von seinen Erfahrungen. «Es ist immer wieder schwer, Menschen, die diesen Weg nicht gegangen sind, den Transformationsprozess zu erklären. In Deutschland sind unsere Gesetze auch einfach noch nicht so weit, dass dieser Prozess für Menschen schneller und einfacher gehen könnte», sagt er. «Es geht darum, den Menschen so anzuerkennen, wie er ist. Jeder Mensch weiß in seinem tiefsten Innern, wer oder was er ist.»
Buschbaum fordert Selbstbestimmungsgesetz
Der ehemalige Leistungssportler wünscht sich für Politik und Gesellschaft: «Wir brauchen ein Selbstbestimmungsgesetz. Wenn wir das Transsexuellengesetz, das völlig veraltet ist, abschaffen, dann haben wir auch diese ganze Bürokratie wie zum Beispiel psychologische Gutachten nicht mehr. Alles andere ist Bevormundung.»
Buschbaum verwendet statt der gängigen Begriffe wie transident oder transsexuell lieber den Begriff «trans*normal». Weil er davon überzeugt ist, dass die anderen Begrifflichkeiten negativ belegt sein oder falsch interpretiert werden können. Ist die Geschlechtsangleichung vollzogen, könne man das «trans» streichen: «Denn diese Menschen leben ein ganz normales Leben und können sich jetzt selbst als mann-frau-divers, whatever-youwant-to-be-Mensch bezeichnen.»
Nicht nur für sprachliche Feinheiten, sondern auch für ganz praktische Dinge ist Buschbaum längst Experte: Mit einem ausführlichen Leitfaden will er Transmenschen, ihren Angehörigen und Therapeuten auf dem Weg zu ihrer wahren Identität helfen. Doch sein neues Buch ist nicht nur ein gesellschaftspolitisches Plädoyer. Er erzählt von seinen Auftritten bei der RTL-Tanzshow «Let’s Dance», von seiner Weltreise, seinen Erfahrungen mit der Erektionsprothese, seiner Leidenschaft für den Sport, seiner Corona-Zeit – und von den großen Lieben seines Lebens.
Auch von seiner verstorbenen «Omili», die mal bei einem gemeinsamen Fernsehabend, als ein Bericht über anders lebende Menschen wie Elton John, Hape Kerkeling, Freddy Mercury und Hella von Sinnen kam, sagte: «Ach, was machen die für einen Wirbel. Sollen doch alle so leben, wie sie wollen.»