Bayern mit «Wut im Bauch» und viel Risiko ins BVB-Duell

Thomas Tuchel machte im immer noch frischen Münchner Pokal-Schmerz den deutschen Clásico bei Erzrivale Borussia Dortmund noch ein gehöriges Stück größer.

Kassieren die Bayern im Bundesliga-Topspiel gleich den nächsten Tiefschlag? Oder erlebt die Fußball-Nation mal wieder eine typische Münchner Machtdemonstration drei Tage nach dem blamablen Zweitrunden-Aus im DFB-Pokal beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken? Umgekehrt gefragt: Gelingt dem BVB eine Zeitenwende?  

«Es ist ein großes Spiel in Deutschland. Und es ist nach dem Pokal ein großes Spiel für uns, eine Reaktion zu zeigen», sagte Tuchel am Freitag. Es ist eine ähnliche Situation wie vor sieben Monaten, als die Münchner Stars nach turbulenten Tagen mit der Ablösung von Julian Nagelsmann als Bayern-Coach im ersten Spiel unter Tuchel ebenfalls eine Reaktion zeigten und den BVB in der Allianz Arena mit 4:2 besiegen konnten. Es war ein Statement.

Terzic erwartet Stadion «extrem laut»

Beim Wiedersehen ist einiges anders, etwa die extrem angespannte Personallage der Bayern. Aber viele Emotionen werden wieder im Spiel sein. Da ist nicht nur das verstörende Pokal-Aus, das laut Tuchel «gegen das Grundgesetz des FC Bayern spricht». Da ist auch noch das zurückliegende Saisonfinale, als die Dortmunder im Fernduell die sicher geglaubte Meisterschaft verspielten – und doch wieder die Bayern mit der Schale feierten. 

Es geht aber 80.000 Zuschauern im Signal Iduna Park, den BVB-Coach Edin Terzic «extrem laut» erwartet, nicht nur um einen Prestigeerfolg. Es geht für beide Teams auch darum, den Anschluss an den konstant siegenden Liga-Primus Bayer 04 Leverkusen nicht zu verlieren. 

Der BVB konnte keines der letzten zehn Pflichtspielduelle mit den Bayern gewinnen. Aber BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl fühlt den Moment für eine Trendwende gekommen: «Wir wollen natürlich jede Gelegenheit nutzen, um Bayern München im direkten Duell zu schlagen – zu Hause ist es jetzt ein bisschen länger her. Es ist mal wieder Zeit.» Terzic bereitet seine Mannschaft auf die wahren Bayern vor: «Ich habe selten zwei enttäuschende Leistungen nacheinander von ihnen gesehen. Und gegen uns sind ihre Sinne immer besonders geschärft. Und jetzt kommt auch noch eine kleine Portion Wut dazu.»

Freund: «In Dortmund als Bayern München antreten»

Dortmund gegen Bayern – der Klassiker wird oft von den Spielern mit den ganz großen Namen entschieden. Für Bundesliga-Newcomer Harry Kane ist es eine Premiere – und Tuchel wird den Schützen von schon zwölf Ligatoren natürlich nicht wie im Pokal draußen lassen. Terzic sprach am Freitag von «einer spannenden Aufgabe» für Mats Hummels und Co.

Klar ist, was der Klassiker-Routinier Thomas Müller noch in Saarbrücken ankündigte: «Gegen Dortmund wird es ein ganz anderes Spiel.» Sportdirektor Christoph Freund richtete eine Klartext-Botschaft ans eigene Ensemble: «Wir müssen aufstehen. Wir müssen in Dortmund als Bayern München antreten. Wir müssen mit einer richtigen Wut im Bauch, mit Überzeugung und der nötigen Aggressivität antreten.»

Tuchel war bemüht, Ruhe auszustrahlen und Selbstbewusstsein vorzuleben. Es sei normal, dass nach den schon wieder früh verspielten Pokal-Titelchancen Kritik aufkomme, gerade auch an seinem Schaffen. «Wir wissen, was wir tun. Ich bin sehr ehrgeizig und sehr selbstkritisch. Ich nehme Niederlagen sehr persönlich», sagte er. In Dortmund, seiner früheren Wirkungsstätte, müsse man wieder an «der Leistungsgrenze» spielen und «das beste Level» abrufen. Tuchel glaubt an seine Spieler: «Wir haben genug Qualität, Form und Spirit.»

Bayern mit Personalsorgen in der Defensive

Tuchel wird als Problemlöser seinen Teil zum Bestehen der BVB-Prüfung beitragen müssen. Denn die Personalsituation des Rekordmeisters ist kritisch. Joshua Kimmich fällt im Mittelfeld gesperrt aus, Matthijs de Ligt mit einer erneuten Knieverletzung in der Abwehr. 

Die logischen Lösungen wären Leon Goretzka und Dayot Upamecano, die aber beide aus Verletzungen kommen. Goretzka müsste sogar nach einem Mittelhandbruch einen Einsatz mit einer Schiene wagen. «Seriös müsste es darum gehen, können sie im Kader sein oder nicht? Ist es zu verantworten, dass wir ein paar Schritte überspringen können und Upa oder Leon sogar beginnen? Der natürliche Schritt ist das natürlich nicht», schilderte Tuchel seine Gedanken vor dem Münchner Abschlusstraining.   

Von Klaus Bergmann, dpa