Bayern-«Risiko» bei Mazraoui – Tuchel mit Mini-Kader

Bei der Rückkehr von Noussair Mazraoui trainierten die Bayern-Stars nach dem Wunsch von Thomas Tuchel wie «in Watte» gepackt. Zumindest äußerlich, denn die klinisch-weiße Sportkleidung stand ein Stück sinnbildlich dafür, dass sich vor der heißen Champions-League-Prüfung bei Galatasaray Istanbul bloß kein weiterer Profi verletzen sollte.

Nach viel Verletzungspech freute sich Tuchel im Keller des Luxus-Hotels Raffles Istanbul, dass Mazraoui nach viel Kritik an seinem Internet-Post sportlich wieder eine Alternative für die heiße Aufgabe am Dienstag (18.45 Uhr/Prime Video) im Hexenkessel Rams Park sein könnte.

Nur 18 FCB-Spieler in Istanbul dabei

«Wir haben den Regenerationsprozess bis aufs Äußerste beschleunigt. Wir sind in den letzten Tagen ein bisschen Risiko gegangen in Abstimmung mit dem Spieler», sagte Tuchel. Angesprochen von türkischen Journalisten auf den Wirbel um Mazraoui wies der 50 Jahre alte Trainer noch mal auf die Gespräche mit dem Marokkaner hin. «Wir haben uns sehr tief und grundlegend mit der Thematik befasst», berichtete Tuchel 24 Stunden vor dem Spiel. Nur einen Mini-Kader von 18 Spielern hat er am Bosporus zur Verfügung.

Mazraoui ist bestrebt, nach viel Kritik für seinen pro-palästinensischen Social-Media-Beitrag wieder sportliche Akzente zu setzen. Im Training traf er auf seinen israelischen Teamkollegen Daniel Peretz. Dieser lachte in schwierigen Tagen, als er Mathys Tel Huckepack nahm.

Im Gegensatz zu Mazraoui, der laut Trainer Tuchel Reue zeigte und im Bayern-Kader bleiben durfte, fehlen wie der beim 3:1 in Mainz verletzte Leon Goretzka auch Manuel Neuer, Serge Gnabry, Dayot Upamecano und Raphaël Guerreiro in der Türkei. Wann Gnabry, der an der Seite des von Kopf bis Fuß weiß vermummten Leroy Sané trainierte, nach seinem Armbruch zurückkehrt, ist offen. Neuer soll sein Comeback im Bayern-Tor nach fast einem Jahr am Samstag im Liga-Heimspiel gegen den SV Darmstadt 98 feiern. Gegen Galatasaray vertritt ihn noch einmal Sven Ulreich.

Tuchel: Debatte über Kadergröße «ausgeräumt»

Im sehr angenehm warmen Istanbul wollen die Bayern beim Gruppen-Zweiten nach zwei Siegen gegen Manchester United (4:3) und beim FC Kopenhagen (2:1) den nächsten Erfolg in Richtung Gruppensieg feiern. Die Debatte über die Kadergröße, in der sich die Ansichten von Tuchel und Ehrenpräsident Uli Hoeneß unterscheiden, erklärte der Coach vor dem stimmungsvollen Königsklassen-Abend für «ausgeräumt».

Liebend gerne hätte Tuchel mehr Alternativen im Aufgebot. Laut Hoeneß wird es «die ganz große Transferoffensive» im Winter «mit Sicherheit nicht geben». Tuchel lachte am Wochenende, als er auf die Ansage «des Oberbosses» angesprochen wurde. «Dann ist das so.»

Differenzen wollen sich Trainer und Club-Patron nicht nachsagen lassen. «Es war nichts, was ich nicht schon persönlich von ihm gehört hätte», sagte Tuchel. «Es ist ausgeräumt zwischen uns, weil wir uns regelmäßig in die Augen schauen und gegenseitig auch sagen, wo wir gerade stehen und was wir für ein Gefühl haben.»

Kumpelhafter Tuchel

Bei seiner Ansprache auf dem Trainingsrasen legte Tuchel kumpelhaft seinen Arm um Matthijs de Ligt, der nach Verletzung wie auch der zuletzt kranke Joshua Kimmich in Mainz durchspielen musste. Über die Kadergröße und das nur geringe Angabot an Verteidigern wollte er nicht sprechen. «Das ist nicht mehr in Job», sagte der 25-Jährige. «Es ist mein Job, fit zu sein und fit zu bleiben und meine Arbeit auf dem Platz zu machen.»

De Ligt erwartet ein Galatasaray-Team, das «mit der ganzen Arena» zusammenspielt. Es werde «extrem emotional, extrem laut», sagte auch Tuchel. «WIr sind jetzt auch nicht ganz grün hinter den Ohren. Wir trauen uns schon zu, damit umzugehen.»

Der Sieg von Galatasaray in Manchester soll für die Münchner Warnung genug sein. «Das wird ein geiles Spiel! Es ist ein spektakuläres Stadion und die Stimmung ist fantastisch», prognostizierte Lukas Podolski, der für beide Teams auflief, auf der Bayern-Internetseite. Vor allem die Offensive von Galatasaray ist top. Allerdings verletzte sich der argentinische Torjäger Mauro Icardi, der in dieser Spielzeit wettbewerbsübergreifend schon 14 Treffer erzielte, am Wochenende, sein Einsatz ist ungewiss.

Auf Bayern-Seite könnte Thomas Müller ein Meilenstein glücken. Der 34-Jährige, der angesichts der nahenden Neuer-Rückkehr vorerst wohl letztmals als Kapitän auf eine Auslandsreise geht, steht vor seinem 500. Scorerpunkt im 676. Pflichtspiel für den FC Bayern.

Von Christian Kunz, dpa