Bayern-Schreck und -Liebling: «Nichts Neues» bei Alonso

Xabi Alonso ging direkt in die Offensive. Seine erste Pressekonferenz nach der angekündigten Trennung zwischen Thomas Tuchel und dem FC Bayern zum Saisonende begann der Trainer von Bayer Leverkusen mit den Worten: «Vielleicht habt ihr einige Fragen zu meiner Zukunft. Aber es tut mir leid, ich habe nicht so viel zu sagen.»

Das Kreuzverhör der vielen Nachfragen nach den neuerlichen Gerüchten um seine Zukunft ersparte sich Alonso dadurch nicht. Er beantwortete sie zunehmend kurz angebunden und schmallippig. Auf jene, ob er auch nächstes Jahr Trainer in Leverkusen sei, sagte er auf Deutsch: «Gerade ja».

Der Spanier, der Bayer Leverkusen zu Überfliegern machte und dadurch selbst in kürzester Zeit zum begehrtesten Trainer Europas aufstieg, kennt das Spielchen schon. Wann immer bei einem großen Club der Trainer geht, gibt es wenige Stunden später Gerüchte um ihn selbst. Vor allem, wenn es sich um die drei internationalen Großclubs handelt, bei denen Alonso selbst spielte und seine Spuren hinterließ.

«Das ist hypothetisch»

Nun ist es also der FC Bayern. Gespräche habe es schon gegeben, hieß es kurz nach der Ankündigung der Münchner, dass Thomas Tuchel am Saisonende gehen wird. «Ich verstehe die Frage. Aber das ist hypothetisch», sagte Alonso dazu. Doch natürlich wird es Kontakt gegeben haben. Alonso hat zu all seinen Ex-Clubs einen engen Draht. Und natürlich ist er auch ein logischer Kandidat der Bayern. Der Ausgang in dieser Personalie erscheint aber völlig offen.

Sollten die Bayern hoffen, dass die entsprechenden Berichte für Unruhe bei den Leverkusenern sorgen, so ist diese Hoffnung sehr vage. Während der Spekulationen um einen möglichen Alonso-Wechsel zu Real und um die mögliche Nachfolge von Jürgen Klopp in Liverpool blieben Alonso und sein Team immer ruhig. Mit einem Heimsieg am Freitag (20.30/DAZN) gegen den Vorletzten FSV Mainz 05 könnte Bayer den Vorsprung an der Tabellenspitze zumindest vorübergehend auf unglaubliche elf Punkte ausbauen.

Doch der aktuelle Bayern-Schreck ist grundsätzlich ein Bayern-Liebling. Der ehemalige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, sagte schon vor rund einem Jahr, er «habe wenige Spieler erlebt, die so sympathisch und intelligent waren wie Xabi.» Wenn einer so gute Trainer hatte und so viel Erfolg, sagte Rummenigge, «und dazu ein guter Typ ist, dazu so diszipliniert und empathisch, müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn er keinen Erfolg als Trainer hat».

Eberl hält viel vom Bayer-Coach

Auch der neue Sportchef Max Eberl, der seinen Dienst nächste Woche antreten könnte, hält große Stücke auf den früheren Welt- und Europameister. Er wollte Alonso 2021 schon zu Borussia Mönchengladbach holen. Alonso bestätigte damals Gespräche und gestand, dass er sich noch nicht reif für die Bundesliga gefühlt habe.

Grundsätzlich scheint durchaus vorstellbar, dass Alonso seine Spieler-Karriere nachspielt, dass er im Laufe der Jahre sowohl Real als auch Liverpool als auch die Bayern trainiert. Die Bindung zu den drei Clubs ist so eng, dass es unvorstellbar scheint, dass er deren Rivalen wie den FC Barcelona oder Manchester United übernimmt. Umgekehrt dürfte der Baske mit 42 aber nicht das Gefühl haben, eine Anfrage von einem dieser drei Herzensclubs als einmalige Chance begreifen zu müssen. Er kann eher davon ausgehen, dass die Chance nochmal wiederkommt.

Klare Dementis hat Alonso auf kein Gerücht abgegeben. «Das ist eine direkte Frage, aber ich habe keine direkte Antwort», sagte er zum Beispiel im Fall Liverpool. Und gewann mit den diese Saison immer noch ungeschlagenen Leverkusenern einfach weiter. Auf die Frage, ob er dieselbe Formulierung nun auch in Bezug auf die Bayern wählen würde, sagte er: «Ich denke so in etwa.» Es sei einfach «nicht der richtige Moment, darüber zu sprechen.» Genervt sei er nicht von den Gerüchten, beteuerte er, obwohl der Eindruck am Donnerstag erstmals ein leicht anderer war. Und sein Team werde dadurch auch nicht beeinflusst: «Wir hatten eine normale Woche. Wir sind alle sehr fokussiert.»

Liverpool, München oder doch Leverkusen?

Letztlich steht Alonso vor einer Prinzipien-Frage: Will er Nachfolger des sakrosankten Klopp beim Weltclub Liverpool werden? Mit einem erweiterten Aufgaben-Gebiet als Teammanager, das weniger Konzentration auf die Trainingsarbeit zulässt, die Alonso akribisch oft bis in die Nacht vor- und nachbereitet? Oder will er den schwierigen, aber reizvollen Umbau im zuletzt wieder sehr aufgeregten München gestalten, bei dem auch ehemalige Mitspieler wie Joshua Kimmich oder Thomas Müller nicht mehr unantastbar sind? Oder will er im ruhigen Umfeld mit weniger Strahlkraft in Leverkusen weiter am Aufbau seines Teams arbeiten?

Viele rund um Bayer glauben, dass die Zahl der Titel bei seiner Entscheidung am Ende eine Rolle spielen. Ob jeder der drei möglichen Erfolge die Wahrscheinlichkeit steigert, dass Alonso bleibt oder dass er geht, weil die Mission erfüllt scheint, weiß aber nur Xabi Alonso. Wenn überhaupt.

Von Holger Schmidt, dpa