«Bisschen Hoffnung» – Damen-Tennis vor Umbruch

Die allerletzte Frage nervte den deutschen Teamchef Rainer Schüttler dann doch. Nach zwei strapaziösen Turniertagen mit wenig Schlaf und viel Frust wollte der ehemalige Davis-Cup-Profi gerade das Podium in der Prager Arena verlassen, als er noch um eine finale Antwort gebeten wurde.

Soeben hatte die Damen-Auswahl des Deutschen Tennis Bundes beim Billie Jean King Cup auch ihr zweites Gruppenspiel verloren. Beim heimlich ersehnten Wunsch, das Halbfinale des prestigevollen Mannschaftswettbewerbes zu erreichen, scheiterten Angelique Kerber & Co. an den schlicht und einfach besser besetzten Teams aus Tschechien und der Schweiz.

Enttäuschung überwiegt

Ob denn jetzt die Enttäuschung überwiege oder die Freude darüber, dass er neue Talente entdeckt und weitergeführt habe, wurde der 45-Jährige gefragt. Schüttler runzelte die Stirn, kniff die Augen zusammen und zögerte eine Sekunde. «Natürlich überwiegt die Enttäuschung. Wir sind hierher gekommen, um gut zu spielen und zu gewinnen. Und wenn wir zwei Mal verlieren, dann sind wir mit Sicherheit nicht happy», gab der Korbacher zu Protokoll und schob hinterher: «Die Talente, die wir hier haben, die kennen wir schon einige Zeit, die sind jetzt nicht hier neu entdeckt worden.»

Die Talente, von denen der DTB-Kapitän sprach, heißen Jule Niemeier und Nastasja Schunk. Niemeier ist 22 Jahre alt, kommt aus Dortmund und ist die viertbeste deutsche Spielerin nach Kerber, Andrea Petkovic und der aktuell verletzten Laura Siegemund. Die Weltrangliste weist sie als Nummer 134 aus. Noch. «Spielerisch ist sie für mich eine absolute Top-20-Spielerin», sagte die zwölf Jahre ältere Petkovic. «Jule spielt unglaubliches Tennis», sagte Schüttler.

Talente machen Hoffung

In diesem Jahr stand die Spielerin aus dem Porsche Talent Team in Straßburg und Hamburg im Halbfinale. Bei der Niederlage im ersten Gruppenspiel gegen Tschechien musste sich Niemeier an der Seite von Anna-Lena Friedsam im entscheidenden Doppel der Weltklasse-Paarung Katerina Siniakova/Lucie Hradecka erst im Match-Tiebreak geschlagen geben. Zwei Punkte waren sie vom Sieg entfernt. Niemeier spielte bei ihrem Debüt so kaltschnäuzig auf, dass im deutschen Team hinterher «alle begeistert waren von den Doppel-Mädels», wie Petkovic verriet und ergänzte: «Das gibt uns ein bisschen Hoffnung für die Zukunft.»

Die 34-Jährige, einst die Nummer neun der Welt, wurde im Prager Herbst schonungslos mit der Realität konfrontiert. Gerade in Spitzenteams wie der Schweiz oder Tschechien sind die an Nummer zwei eingestuften Spielerinnen mittlerweile besser klassiert als die Weltranglisten-76. Und die strapaziöse Turnierhatz der vergangenen Monate führte bei Petkovic zwar zur Ranglistenverbesserung und einer Perspektive für die neue Saison, aber eben auch zu Erschöpfung.

Wenn dann auch noch bei der ein Jahr jüngeren Kerber der Rücken zwickt, wird es schwer gegen eine Athletin wie Olympiasiegerin Belinda Bencic aus der Schweiz, der die Kielerin mit 7:5, 2:6, 2:6 unterlag. So offenbarten die Tage einmal mehr: Der Umbruch im deutschen Damen-Tennis für die Zeit nach der sogenannten Goldenen Generation um Kerber, Petkovic, der zurückgetretenen Julia Görges und der früheren Wimbledon-Finalistin Sabine Lisicki rückt immer näher.

Bei dem Rasenklassiker in London sorgte in diesem Jahr die 18 Jahre alte Schunk aus Leimen mit dem Einzug in das Juniorinnen-Finale für Furore. «Sie ist ein Super-Talent und hat alles, was man braucht», lobte Schüttler den Teenager. Vor der Presse traten die gepriesenen Nachwuchshoffnungen in Prag (noch) nicht auf. Für Damentennis-Chefin Barbara Rittner haben beide jedoch «absolut das Talent und das Potenzial», die entstandene große Lücke «etwas zu schließen».

Von Wolfgang Müller, dpa