Ella Seidel vergoss bei ihrem chancenlosen Grand-Slam-Debüt um Mitternacht bittere Tränen, Melbourne-Rekord-Champion Novak Djokovic wendete ein sensationelles Erstrunden-Aus nur nach einem vierstündigen Kraftakt ab. Die Australian Open haben einen spektakulären Auftakt erlebt.
Für die 18 Jahre alte Seidel wurde der Start ins erste Grand-Slam-Turnier der Tennis-Saison zu einer bitteren Lehrstunde. Gegen Titelverteidigerin Aryna Sabalenka aus Belarus musste sich die Hamburger Qualifikantin mit 0:6, 1:6 geschlagen geben und war dabei völlig ohne Chance. Das von Seidel so sehr herbeigesehnte Grand-Slam-Debüt dauerte gerade einmal 53 Minuten, dann verwandelte die gnadenlose Sabalenka ihren siebten Matchball.
«Heute war einfach ein schwerer Tag», sagte Seidel, die Mitte des zweiten Satzes angesichts ihrer Chancenlosigkeit Tränen in den Augen hatte. «Jetzt gerade ist es schwer, etwas Positives zu sehen. Aber ich habe es bei meinem ersten Grand-Slam-Turnier direkt ins Hauptfeld geschafft und drei Spiele in der Quali gewonnen», sagte Seidel. «Ich denke, darauf kann ich schon stolz sein. Heute war es schwer, aber ich werde hart arbeiten und wieder kommen.»
Boris Becker hat beim chancenlosen Auftakt Ella Seidel mitgelitten und hofft trotz der Lehrstunde auf einen Schub für die Zukunft. «Das ist natürlich brutal für ihre Familie, für uns alle ein trauriges Mädchen zu sehen. Trotzdem muss sie stolz sein», sagte der dreimalige Wimbledonsieger als TV-Experte bei Eurosport. «Diese Erfahrungen kannst du nicht mit Geld bezahlen. Ich glaube, das wird ihr unglaublich viel Kraft und Energie geben in den nächsten Wochen und Monaten.»
Weil die Partie von Novak Djokovic zuvor mehr als vier Stunden gedauert hatte, begann Seidels bislang größtes Match der Karriere erst um kurz vor Mitternacht. In der nicht einmal mehr halb gefüllten Arena hatte es Sabalenka dann sehr eilig. Mit ihren druckvollen Schlägen ließ sie Seidel überhaupt nicht zur Entfaltung kommen und holte sich nach nur 22 Minuten den ersten Satz.
Nicht den Hauch einer Chance
Auch im zweiten Durchgang hatte Seidel nicht den Hauch einer Chance. Mitte des zweiten Satzes kämpfte die Norddeutsche mit den Tränen, auf der Tribüne litten Barbara Rittner und Andrea Petkovic mit der deutschen Nachwuchshoffnung. «Man möchte sich am liebsten verkriechen und rausschleichen. Das ist kein schönes Gefühl», sagte Ex-Profi Anke Huber als TV-Experten bei Eurosport.
«Das ist natürlich brutal für ihre Familie, für uns alle ein trauriges Mädchen zu sehen. Trotzdem muss sie stolz sein», sagte Boris Becker bei Eurosport. «Diese Erfahrungen kannst du nicht mit Geld bezahlen. Ich glaube, das wird ihr unglaublich viel Kraft und Energie geben in den nächsten Wochen und Monaten.»
Immerhin schaffte Seidel am Ende noch einen Spielgewinn, sodass ihr die Demütigung eines 0:6, 0:6 erspart blieb. Als sie ihren Aufschlag zum ersten Mal durchgebracht hatte, huschte sogar ein leichtes Lächeln über ihre Lippen. Doch kurz darauf war die Partie beendet. «Das ist jetzt eine Lehrstunde gewesen, aber da muss man weitermachen», sagte Huber über Seidel, die schon Ende des vergangenen Jahres starke Leistungen gezeigt hatte und sich in Melbourne immerhin mit ihrem – wenn auch schmerzhaften – Grand-Slam-Debüt belohnte.
Djokovic muss hart kämpfen
Während Titelverteidigerin Sabalenka also einen leichten Aufgalopp ins erste Grand-Slam-Turnier der Saison hatte, musste Djokovic bei seinem ersten Auftritt hart kämpfen. Der Weltranglisten-Erste aus Serbien rang den kroatischen Qualifikanten Dino Prizmic mit 6:2, 6:7 (5:7), 6:3, 6:4 nieder und zog bei seinem Lieblings-Grand-Slam damit in die zweite Runde ein. Djokovic wäre der erste Titelverteidiger seit Boris Becker 1997 gewesen, der bereits in der ersten Runde ausscheidet.
«Er ist ein unglaublicher Spieler. Es ist sein Moment, er verdient jeden Applaus», sagte Djokovic (36) nach der Partie über seinen halb so alten Kontrahenten. «Er hat mich heute wirklich für mein Geld laufen lassen. Es war eine unglaubliche Leistung für einen 18-Jährigen, der noch nie zuvor ein Grand-Slam-Spiel bestritten hat.»
Djokovic, der das Tennis-Spektakel am Yarra River bereits zehn Mal gewinnen konnte, zeigte in der Rod Laver Arena ungewohnte Schwächen. Nach einem einfach gewonnenen ersten Satz unterliefen ihm zahlreiche leichte Fehler, zudem spielte Prizmic plötzlich groß auf.
Im dritten Satz lag Djokovic sogar ebenfalls schon ein Break hinten, kämpfte sich dann aber zurück in die Partie und drehte den Durchgang noch zu seinen Gunsten. Damit war der Widerstand von Prizmic, der im vergangenen Jahr bei den French Open in Paris den Junioren-Wettbewerb gewonnen hatte und in Melbourne sein Grand-Slam-Debüt bei den Herren gab, erst einmal gebrochen.
Siebten Matchball verwandelt
Djokovic zog im vierten Satz schnell auf 4:0 davon. Zwar kämpfte sich Prizmic noch einmal heran, nach 4:01 Stunden verwandelte der 24-fache Grand-Slam-Turnier-Champion aber seinen siebten Matchball. Es war sein 29. Sieg in Serie in Melbourne. 2019, 2020, 2021 und 2023 holte Djokovic Down Under den Titel. 2022 durfte er wegen seiner fehlenden Corona-Impfung in Melbourne nicht antreten.
Als erste deutsche Spielerin hatte zuvor Tamara Korpatsch ihre Erstrundenpartie gewonnen. Gegen die Britin Jodie Burrage siegte die 28 Jahre alte Hamburgerin nach anfänglichen Schwierigkeiten mit 2:6, 6:3, 6:0. Korpatsch bekommt es jetzt mit der an Nummer neun gesetzten Tschechin Barbora Krejcikova zu tun.