Bobics Bitte, Windhorsts Worte: Brisante Hertha-Versammlung

Mitten während der wegweisenden Mitgliederversammlung spielt der Krisenclub Hertha BSC am Sonntag um den deutschen Meistertitel. Allerdings nur bei den A-Junioren.

Fredi Bobic findet die Überschneidung der Termine unglücklich und will zumindest ab und zu mal «auf das iPad schauen», um zu sehen, wie sich der Nachwuchs im Duell gegen Borussia Dortmund auf dem Nebenplatz des Olympiastadions schlägt. Der Geschäftsführer des Berliner Fußball-Bundesligisten sollte sich aber nicht zu sehr ablenken lassen. Das Geschehen in der Messehalle 20 unter dem Funkturm ist für die Zukunft der Hertha von entscheidender Bedeutung – auch und gerade für Bobic.

Der Machtkampf:

Durch den Rücktritt von Präsident Werner Gegenbauer nur einen Tag nach dem Klassenerhalt in der Relegation gegen den Hamburger SV ist das Revolte-Potenzial etwas gemindert. Eine große Reizfigur der Fans spielt keine Rolle mehr. Doch die Tagesordnung birgt Sprengkraft. Die Abwahlanträge gegen Interims-Chef Thorsten Manske sowie gegen das komplette Präsidium sind eingereicht. Der Unmut der Fans über die Talfahrt statt der Big-City-Träume könnte sich in einer Entmachtung des Hertha-Establishments entladen. Bobic erinnerte schon an die «Fürsorgepflicht» aller für den Verein. Er braucht bei den Planungen sofort verlässliche Ansprechpartner und keine Hängepartie bis zur Präsidentschaftswahl in einigen Wochen.

Die Optionen:

Bislang hat sich nur der ehemalige Ultra und heutige Unternehmer Kay Bernstein positioniert. Er möchte der Präsident der Fan-Basis werden. Seine Kampagne initiiert er durchaus geschickt. Er polarisiert nicht, will alle einbinden. Damit provoziert er aber das Establishment um Manske und auch Aufsichtsratsboss Torsten-Jörn Klein, die logische Gegenbauer-Nachfolger im Sinne der Club-Hierarchie wären. Bernstein rechnet aber noch mit einem weiteren Kandidaten: Und zwar aus dem Lager von Millionen-Investor Lars Windhorst, der selbst nicht antreten wird, aber einen Gefolgsmann positionieren könnte.

Der Investor:

Die Rede von Windhorst ist ein Highlight auf der Agenda. Erstmals spricht der umstrittene Geldgeber zu den Fans – und die Reaktionen werden ein Gradmesser sein, welche Rolle ihm künftig von den Hertha-Mitgliedern zugestanden wird. Im Streben um Einfluss auf das operative Geschäft muss der 45-Jährige geschickt vorgehen. Verprellen darf er die treuen Anhänger nicht. Er dürfte sich als einer der Ihren präsentieren. Seine 375 Millionen Euro sind derzeit verloren. Für eine langfristige Rendite-Aussicht braucht Windhorst den sportlichen Aufschwung.

Der Trainer:

Eine wichtige Personalie hat Bobic offenbar schon geklärt. Dass Sandro Schwarz der neue Hertha-Trainer wird, gilt als beschlossene Sache. Mit der Verkündung wird spätestens zum Wochenstart gerechnet, wenn die Club-Gremien zugestimmt haben. Vorher muss der 43-Jährige noch das russische Pokalfinale mit Dynamo Moskau gegen Spartak Moskau am Sonntag bestreiten. Sein Verbleib in Russland trotz des Angriffs auf die Ukraine dürfte für Schwarz zumindest am Anfang zum Thema in Berlin werden. Kritische Fragen sind gewiss. Ruhe wird es bei der Hertha nicht so schnell geben.

Von Arne Richter und David Langenbein, dpa