Brasilien-Sieg dank Zaubertor – Aber Sorge um Neymar

Nach diesem Zaubertor von Richarlison staunten selbst die größten Ballkünstler der Brasilianer.

Tempodribbler Vinicius Júnior klatschte den Angreifer der Tottenham Hotspur mit einem Lächeln ab und schüttelte ungläubig den Kopf, anschließend führten die Stars des Rekord-Weltmeisters einen kurzen Tanz vor ihrer Fankurve auf. Mit einem 2:0 (0:0) gegen Serbien hat Topfavorit Brasilien seine Jagd nach dem sechsten WM-Titel erfolgreich begonnen.

Doch in die Freude über den Sieg mischte sich die Sorge um Superstar Neymar. Der 30-Jährige verletzte sich offenbar am Knöchel und musste in der 79. Minute ausgewechselt und nach Angaben seiner Mitspieler sofort in der Kabine behandelt werden. «Ich hoffe, dass es nichts Schlimmes ist», sagte Abwehrspieler Alex Sandro nach der Partie in der Interviewzone des Lusail-Stadions. Neymar humpelte aus der Arena, Trainer Tite gab aber erste Entwarnung: «Wir sind zuversichtlich, dass er bei dieser WM weiterspielen kann. Er wird diese WM fortsetzen!»

In ihrem ersten Turnierspiel in Katar setzte sich die Seleção auch dank einer Gala-Vorstellung von Richarlison durch. Erst staubte der Angreifer der Tottenham Hotspur aus kurzer Distanz ab (62. Minute), dann legte er sich den Ball selbst zu einem Seitfallzieher vor (73.) und schloss volley ab. Nach diesem traumhaften Treffer tobten die 88.103 Zuschauer im Lusail Stadium.

Casemiro schwärmt von Richarlison

«Das ist schon verrückt, das träumst du als Kind, an so einer Stelle so ein Tor zu machen», sagte der Doppeltorschütze. «Wir haben es geschafft, in der zweiten Halbzeit den Spieß rumzudrehen und das Spiel zu entscheiden. Ich hatte Schiss, gar nicht hierherzukommen», sagte der lange verletzte Angreifer. «Richarlison ist ein genialer Stürmer, ein super Spieler. Aber nicht er alleine ist wichtig, alle sind wichtig», sagte Casemiro.

Über was für eine Offensivwucht die Brasilianer verfügen, zeigte sich schon bei der Aufstellung. Neymar, Vinicius Júnior, Raphinha, Richarlison und Lucas Paquetá – gleich fünf klar offensiv ausgerichtete Ausnahmeakteure standen in der Startelf. Doch wenn nach vorne etwas ging, dann zunächst nicht über ihre individuelle Klasse, sondern über die Schnittstelle. Anders war die kompakte Defensive der Serben kaum zu überwinden.

Serbien offensiv ohne Akzente

Zwei geniale Vertikalpässe von Casemiro und Kapitän Thiago Silva bekamen die Europäer im ersten Durchgang gerade noch so verteidigt. Ebenso den Versuch von Neymar (13.), der eine Ecke ins Tor schlenzen wollte. So blieb es zunächst bei den immer wieder neu gestarteten Versuchen, das serbische Bollwerk zu knacken. Die beste Chance dazu hatte Raphinha (35.), der nach feiner Kombination schon durch war – aber an Torwart Vanja Milinkovic-Savic scheiterte.

Serbien beschränkte sich auf das, was Serbien besonders gut kann: unangenehm sein. Die Seleção dominierte das Spiel, aber geschenkt bekam sie nichts. Ohne den verletzten Ex-Frankfurter Filip Kostic fehlte den Serben zwar die Durchschlagskraft nach vorne. Anders als angekündigt fanden sie offensiv sogar kaum statt. Doch im Spiel gegen den Ball legte das Team von Trainer Dragan Stojkovic alles rein. Sie zerrten, zogen, grätschten und kämpften: wenn die Brasilianer eine Lücke finden wollten, dann mussten sie schon äußerst genau passen. Oder auf Fehler der Serben hoffen.

Im zweiten Durchgang war nicht mal eine Minute gespielt, als genau das passierte. Nemanja Gudelj verlor kurz vor dem eigenen Strafraum den Ball, der wieder bei Raphinha landete – aber erneut kam der Angreifer vom FC Barcelona nicht am Keeper vorbei. Aber Brasilien näherte sich an. Ein wuchtiger Distanzschuss von Linksverteidiger Alex Sandro (60.) ging noch an den Innenpfosten. Doch dann wehrte Milinkovic-Savic einen Versuch von Vinicius Júnior genau vor die Füße von Richarlison ab, und der Stürmer der Tottenham Hotspur verwandelte aus kurzer Distanz.

Neymar wenig zu sehen

Von Neymar dagegen war nicht viel zu sehen. Der Superstar von Paris Saint-Germain mühte sich zwar. Doch mal verzettelte er sich in einem Dribbling, mal misslang ihm die Ballannahme. Auch für den letzten Pass entschied sich der 30-Jährige mehrere Male zu spät. Das fiel an diesem Abend aber nicht ins Gewicht. Weil andere bei den Brasilianern die Regie übernahmen. Allen voran der starke Casemiro, der im Mittelfeld der Seleção Regie führte. Und natürlich Richarlison.

Als Vinicius Júnior sich auf der linken Außenbahn erneut im Dribbling durchsetzte, fand er im Zentrum den 25 Jahre alten Stürmer. Der legte sich den Ball selbst hoch, drehte sich zur Seite – und hämmerte ihn anschließend volley per Seitfallzieher ins Netz.

Nils Bastek, Sebastian Stiekel und Ulrike John, dpa