Bundesliga ringt mit Beschlüssen: Zuschauer auch in BaWü

Die Fans von Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 sind gemeinhin selten Arm in Arm zu sehen. Und wenn, muss eventuell die Polizei einschreiten.

Doch in dieser merkwürdigen Corona-Zeit mit bedrohlich hohen, aber abstrakten Inzidenzen machen zumindest die Chefetagen der Revier-Clubs gemeinsame Sache. Denn die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Zulassung – oder Nicht-Zulassung – von Zuschauern sorgen in der Fußball-Bundesliga weiterhin für Aufruhr. Der Gang vor Gericht scheint nahe.

Der Streitpunkt

Bundeskanzler Olaf Scholz und die Länderchefs hatten beschlossen, dass wegen der Omikron-Variante abgewartet wird mit Öffnungsschritten für Großveranstaltungen – bis zum 9. Februar sollen einheitliche Regeln vereinbart werden. Einen Tag später wurde in Bayern die Zulassung von bis zu 10.000 Menschen (maximal 25 Prozent der Gesamtkapazität) erlaubt, die Landesregierung in Baden-Württemberg folgte am Mittwoch mit einem Beschluss für bis zu 6000 Zuschauer im Stadien mit 2G-plus-Regel. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte dagegen am Mittwoch: «Es kann kein Signal zu großflächigen, pauschalen Lockerungen geben.» Die NRW-Regelung mit bislang nur 750 erlaubten Fans betrifft allein in der Bundesliga sechs Clubs.

Der Flickenteppich

Bleibt es in den kommenden Tagen bei diesen Einschränkungen, wird am 21. Spieltag nach der kurzen Länderspielpause ab dem 4. Februar überdeutlich, worüber sich die Bundesliga-Bosse aufregen. Im riesigen Berliner Olympiastadion dürfen am Freitagabend 3000 Menschen beim Spiel gegen den VfL Bochum dabei sein, in Augsburg könnten schon mehr als doppelt so viele Fans die Partie gegen Union sehen. Der FC Bayern dürfte für das Spitzenspiel gegen RB Leipzig 10.000 Tickets loswerden. Die NRW-Clubs Bielefeld, Köln und Dortmund bekämen dagegen nur ganz wenig Zuspruch von den Rängen. Im Dortmunder Stadion mit der legendären Südtribüne wirken 750 Menschen ziemlich verloren.

Die Folgen

In der Zuschauerfrage geht es nur vordergründig um die gute Stimmung im Stadion und die Rückkehr zur Normalität. Die Clubs brauchen die Einnahmen durch die Ticketverkäufe. Die «Kölnische Rundschau» rechnete am Mittwoch vor, dem FC entgingen bei jedem Heimspiel ohne Zuschauer etwa 1,8 Millionen Euro. Das schmerzt – umso mehr, wenn an anderen Standorten mit vielleicht sogar vergleichbaren Corona-Zahlen doch wieder deutlich mehr Zuschauer in die Stadien gelassen werden. «Alle vorliegenden Daten zeigen, dass Fußballstadien unter 2G-Bedingungen und unter Beachtung der mit den zuständigen Behörden ausgearbeiteten Auflagen und Konzepte keine Infektionsherde sind», sagte Stuttgarts Vorstandschef Thomas Hitzlsperger. «Die aktuellen Verordnungen ignorieren dies und stellen den gesamten organisierten Sport vor fast unlösbare Herausforderungen, sowohl finanziell und organisatorisch als auch emotional.»

Die Androhung

Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat als Erster sehr deutlich angekündigt, die NRW-Beschlüsse genau anzuschauen, und zu prüfen, «ob wir sie im Eilverfahren kontrollieren lassen». Vorstandschef Bernd Schröder vom Zweitligisten Schalke schloss sich ebenso an wie RB Leipzigs Vorstandschef Oliver Mintzlaff und Alexander Wehrle, Geschäftsführer des 1. FC Köln. Die Aussichten auf Erfolg sind Experten zufolge gar nicht so schlecht. «Ich glaube, dass eine Klage eine gute Chance auf Erfolg hat», sagte der Gelsenkirchener Anwalt Arndt Kempgens den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Der Düsseldorfer Anwalt Matthias Lang stellt auch die Zahl 750 in Frage. «Woher kommt die?» Es gebe keine wissenschaftlichen Belege, dass diese Obergrenze etwas bringe.

Der Rückhalt

Ganz so klar, wie es die Bundesliga-Chefs gerne hätten, scheint das Meinungsbild in der Bevölkerung nicht. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge befürworten 57 Prozent der Befragten, dass es vorerst keine bundesweite Teil-Öffnung der Stadien für Fans geben wird. 29 Prozent der Bundesbürger lehnen diese Regelung dagegen ab und würden sich wieder mehr Zuschauer bei Bundesliga-Spielen wünschen.

Der Vergleich

Wehrle hatte angemerkt, es sei «nicht nachvollziehbar, wenn in der Elbphilharmonie in Hamburg von 2100 möglichen Zuschauern 2000 in einem geschlossenen Raum sind und ein paar Kilometer weiter im Hamburger Stadion auch 2000, weil das eben die Grenze ist.» Die das weltweit bekannte Konzerthaus betreuende Behörde wehrte sich: «Man kann die Unzufriedenheit im Sport verstehen», sagte Pressesprecher Enno Isermann vor der Hamburger Kulturbehörde. «Aber man darf die Bereiche nicht gegeneinander ausspielen. Die Ministerpräsidenten haben zu Recht gesagt, dass Kultur eine besondere Bedeutung hat. Auch und gerade jetzt.» Zumal die «Elphi» freiwillig auf 1300 Besucher reduziert habe.

Die Zufriedenen

Die bayerischen Clubs hatten am Mittwoch erwartungsgemäß nicht viel zu kritisieren. Die Landesregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist schließlich schon weiter gegangen als alle anderen. «Ich glaube, dass es schon wichtig ist, dieses Signal in dieser Zeit zu setzen», sagte Bayern Münchens Vorstandschef Oliver Kahn. «Wir brauchen vernünftige Lösungen, nicht nur jetzt für den Fußball, im Grunde auch in allen Gesellschaftsbereichen.» Für den Augsburger Trainer Markus Weinzierl haben die unterschiedlichen Zuschauervorgaben in den Bundesländern auch mit Glück zu tun. «Da ist ein Glücksfaktor dabei und da zählt der Zuschauerfaktor dazu», sagte der Coach am Mittwoch. Die einen hätten in der Frage der Fan-Rückkehr zu Corona-Zeiten Glück, die anderen Pech.

Von Jan Mies, dpa