China-Boykott der WTA: Zustimmung für drastischen Schritt

Weil die Signale aus China zum Schicksal der Tennisspielerin Peng Shuai ihr nicht ausreichen, hat die WTA ernst gemacht und alle Turniere in dem Land ausgesetzt.

Den entsprechenden Schritt, der auch Veranstaltungen in Hongkong umfasst, gab der Chef der Frauen-Profi-Tennis-Organisation, Steve Simon, am Mittwochabend bekannt. Der US-Nachrichtenagentur AP sagte er zudem, dass diese Entscheidung auch über das Jahr 2022 hinaus gelten könnte. «Das ist ein organisatorischer Versuch, der wirklich etwas anspricht, bei dem es darum geht, was richtig und falsch ist», sagte er.

Mögliche Folgen für die Sportorganisation

Keine andere Sportorganisation hat sich bislang öffentlich so offensichtlich mit dem Olympia-Gastgeberland angelegt. China ist mit einer Reihe von Veranstaltungen wichtiger Geldgeber der Damen-Tour. Mit der Stadt Shenzen gibt es einen laufenden Zehnjahresvertrag über die Austragung der WTA-Finals. Ein Ende der Beziehungen könnte die WTA Millionen kosten. Gut zwei Monate vor der Eröffnungsfeier in Peking nimmt damit auch der Druck auf das Internationale Olympische Komitee zu, das für seinen Umgang mit der unklaren Situation ohnehin schon deutliche Kritik abbekommt.

Peng Shuai, die frühere Nummer eins der Doppel-Weltrangliste hatte Anfang November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht. Ihr Post wurde bald danach gelöscht. Seither äußerten Sportler, Politiker und Menschenrechtler Sorge um das Wohlergehen der Tennisspielerin. Die WTA vermutet, sie wird unter Druck gesetzt und kann sich nicht mehr frei bewegen.

Meinungen

Barbara Rittner lobte den Schritt der WTA als eine der ersten. «Das ist ein konsequentes und vorbildliches Handeln. Es muss alles getan werden, um das Wohl der Spielerinnen zu garantieren. Das ist auch ein Zeichen an die junge Generation, dass die WTA Verantwortung übernimmt. Ich bin stolz auf die WTA», sagte Deutschlands Tennis-Chefin der «Süddeutschen Zeitung».

Die frühere Weltklassespielerin und erste WTA-Präsidentin Billie Jean King sagte, sie finde es gut, dass die WTA einen «starken Standpunkt zur Verteidigung der Menschenrechte in China und auf der ganzen Welt eingenommen» habe. Auch deshalb sei das Damentennis führend im Damensport. Die WTA stehe «auf der richtigen Seite der Geschichte».

«Mit gutem Gewissen sehe ich nicht, wie wir unsere Athleten fragen können, dort anzutreten, wenn Peng Shuai nicht erlaubt ist, frei zu kommunizieren», hatte WTA-Chef Simon in der Mitteilung erklärt. Peng Shuai werde anscheinend unter Druck gesetzt, ihre Vorwürfe der sexuellen Übergriffe zu widerrufen. «Wenn mächtige Menschen die Stimmen von Frauen unterdrücken können und Vorwürfe von sexuellem Missbrauch unter den Teppich kehren, dann würde das Fundament, auf dem die WTA gegründet wurde – Gleichberechtigung für Frauen – einen immensen Rückschlag erleiden», schrieb Simon. «Ich werde und kann nicht zulassen, dass dies der WTA und ihren Spielerinnen widerfährt.»

Chinas Führer hätten der WTA keine andere Wahl gelassen. Er hoffe weiterhin, dass die Bitten erhört und die chinesischen Behörden Schritte unternehmen würden, um dieses Problem legitim anzugehen, erklärte Simon. «Ich bedaure sehr, dass es so weit gekommen ist», sagte Simon.

«Diese Art von Führung ist mutig und braucht es, um sicherzustellen, dass die Rechte aller Individuen geschützt und alle Stimmen gehört werden», teilte der US-Tennisverband USTA mit.

Winterspiele in Peking

Zusätzliche Brisanz erhält der Fall durch die bevorstehenden Winterspiele in Peking im Februar und die ohnehin anhaltende Kritik am Gastgeber-Land. Das Internationale Olympische Komitee mit seinem deutschen Chef Thomas Bach könnte durch das Vorgehen der WTA in Zugzwang geraten. Die ehemalige Weltranglistenerste Martina Navratilova etwa lobte die WTA via Twitter und schrieb: «IOC, was sagst du? Bislang kann ich dich kaum hören.»

Die designierte Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) schloss einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking nicht kategorisch aus. Auf die Frage, wie sie zu einem Boykott stehe, sagte sie in einem Interview der «tageszeitung» (Donnerstag): «Wenn ich sehe, wie Chinas Führung mit der Tennisspielerin Peng Shuai umgeht oder mit der verhafteten Bürgerjournalistin Zhang Zhan, sollten wir natürlich auch die Olympischen Spiele genauer in den Blick nehmen. Da gibt es für Regierungen unterschiedliche Formen des Umgangs, die in den kommenden Wochen sicherlich diskutiert werden.»