Vor gut elf Monaten war die Fußball-Welt für Martina Voss-Tecklenburg noch in Ordnung. Die Bundestrainerin hatte die DFB-Auswahl gerade bis ins EM-Finale geführt, in der Bundesliga wurde das Auftaktspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern in der großen Arena der Hessen geplant.
Zu lesen war vom «Aufschwung», vom «Boom» des Frauenfußballs. Am vergangenen Wochenende reiste das Nationalteam nach einer historisch schlechten Weltmeisterschaft mit offenen Fragen zum Binnenverhältnis zwischen Verband und Bundesliga-Clubs aus Australien ab.
Wolfsburg: «Positive und nachhaltige Entwicklung betonen»
«Mein Bauchgefühl würde mir jetzt erstmal sagen, dass das nicht unmittelbaren Einfluss hat auf bestimmte Dinge, die wir angeschoben haben», antwortete Voss-Tecklenburg auf die Frage nach möglichen negativen Auswirkungen dieses Vorrunden-Aus. DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach im ZDF von einer positiven Entwicklung, die sich trotz des «Dämpfers» nicht mehr aufhalten lasse. Verlässliche Zahlen für diese Prognose wird erst die neue Saison der Bundesliga liefern, die am 15. September mit Spiel des FC Bayern beim SC Freiburg beginnt.
Der Münchner Meister-Club äußerte sich auf Anfrage nicht zu Fragen rund um die WM, vor der Endrunde hatte der Abstellungsstreit zwischen Bayern und DFB wegen später angereister Spielerinnen ungeahnte Differenzen offenbart. Voss-Tecklenburg und Joti Chatzialexiou, der sportliche Leiter der Nationalmannschaften, wiesen zurück, dass Spielerinnen des Münchner Rivalen VfL Wolfsburg bevorzugt würden. «Schlussendlich musst du gemeinsam arbeiten, um eine starke Nationalmannschaft zu haben», sagte Chatzialexiou.
Champions-League-Finalist Wolfsburg betonte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, es solle die «positive und nachhaltige Entwicklung» betont und nicht versucht werden, «nach dem DFB-Scheitern in Australien alles wieder infrage zu stellen». Der VfL kündigte einen Rekord beim Dauerkartenverkauf an. «Die Popularität der Frauen-Bundesliga – siehe Zuschauerzahlen und TV-Reichweiten 2022/2023 – ist nicht mehr allein auf den Erfolg der Frauen-Nationalmannschaft zurückzuführen.»
Das Eröffnungsspiel der Vorsaison war vor der Rekordkulisse von 23 200 Zuschauern angepfiffen worden, im weiteren Saisonverlauf wurde der Bestwert auf 38.365 Fans bei der Partie der Frankfurterinnen beim 1. FC Köln gesteigert. «Die Liga ist auch nach dem WM-Ausscheiden unserer Nationalmannschaft attraktiv, unsere Spielerinnen bleiben Vorbilder und Sympathieträgerinnen», sagte DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch am Montag und berichtete von «zahlreichen aufmunternden Nachrichten».
Eine erfolgreiche WM hätte geholfen, «ich glaube aber dennoch, dass wir als Liga und alle Clubs auch unabhängig des Abschneidens weiter erfreuliche Zahlen schreiben können», äußerte die Freiburger Abteilungsleiterin Birgit Bauer-Schick. «Wir gehen davon aus, dass der gestiegene Zuspruch gegenüber der Bundesliga bestehen bleibt», sagte ein Sprecher von Eintracht Frankfurt.
«WM-Aus ändert nichts am Frauenfußball als TV-Sport»
Wegen des neuen TV-Vertrags werden alle 132 Spiele der kommenden Saison im Pay-Bereich wie bislang bei Magentasport und erstmals auch beim Streamingdienst DAZN zu sehen sein. 32 Partien werden im frei empfangbaren Fernsehen übertragen. «Wir glauben, der deutsche Frauenfußball ist als TV-Sport so gut geworden, dass er als Bundesliga-Angebot bei MagentaSport attraktiv bleibt. Daran wird auch das frühe WM-Aus der Frauen-Nationalmannschaft nichts ändern», sagte ein Magenta-Sprecher.
Bewahrheiten sich die Einschätzungen, wäre es die erfolgreiche Emanzipation der Liga von der Nationalmannschaft, die sich im Männerfußball praktisch in das andere Extrem verkehrt hat: Erfolg oder Misserfolg der Nationalmannschaft von Bundestrainer Hansi Flick sind für die eingeschworenen Fans der Bundesliga-Clubs wenn überhaupt zweitrangig.
«So ein Turnier ist immer eine große Chance, Vorbilder entstehen zu lassen», sagte Chatzialexiou. Die DFB-Auswahl spielt wenige Tage nach dem Bundesliga-Start in der Nations League um die ersten Punkte in der neuen und wegen der Olympia-Qualifikation enorm bedeutsamen Nations League.